Medizin
Nr. 2 • Februar 2013
11
Eine Subgruppenanalyse der LIFE-Stu-
die (Losartan Intervention For End-
point reduction in hypertension
study) verglich bei 1195 Patienten die
Effekte einer Behandlung mit dem
AT
1
-Antagonisten (ARB) Losartan oder
dem Betablocker Atenolol auf die kar-
diovaskuläre Morbidität und Mortali-
tät und konnte eine Überlegenheit des
ARB nachweisen [14]. Der Vergleich
einer ARB-Therapie (Valsartan) mit
einem Calciumantagonisten (Amlodi-
pin) wurde in der Subgruppenanalyse
der VALUE-Studie (Valsartan Antihy-
pertensive Long-term Use Evaluation)
geführt und ergab keinen Unterschied
bezüglich des kardiovaskulären Risi-
kos [30]. Diese Daten legen nahe, dass
die Therapie mit einem ARB der
Behandlung mit Betablockern über-
legen ist, sich jedoch nicht von der
Behandlung mit Calciumantagonisten
zu unterscheiden scheint.
kurzgefasst
Grundsätzlich kommen alle
Antihypertensivagruppen für die
Hypertoniebehandlung in Betracht,
insbesondere ACE-Hemmer, AT
1
-
Antagonisten und Calciumantagonis-
ten. Liegt keine weitere Indikation
wie z. B. Herzinsuffizienz oder koro-
nare Herzkrankheit vor, sollte die
Therapie nicht mit Betablockern oder
Thiaziddiuretika eingeleitet werden.
Antihypertensive Therapie und
diabetische Nephropathie
Studien legen günstige Effekte einer
antihypertensiven Therapie bezüglich
des Auftretens und der Progression
der diabetischen Nephropathie nahe.
Die meisten Untersuchungen wurden
mit RAS-Blockern durchgeführt und
konnten zeigen, dass sowohl ACE-
Hemmer als auch ARB das Auftreten
einer terminalen Niereninsuffizienz
und die Progression der Mikroalbumi-
nurie bzw. Proteinurie verzögern kön-
nen [10, 26]. Ferner zeigte die
ACCOMPLISH-Studie (Renal outcomes
with different fixed-dose combination
therapies in patients with hypertensi-
on at high risk for cardiovascular
events), in der 60 % der aufgenomme-
nen Patienten einen Diabetes hatten
(6946 von 11506), dass die Kombina-
tion aus ACE-Hemmer und Calcium-
antagonist bezüglich der Progression
der Nephropathie einer Kombination
von ACE-Hemmer mit einem Thiazid-
diuretikum überlegen ist [5, 12]. Im
Gegensatz hierzu wird die duale RAS-
Blockade mittels ACE-Hemmer und
ARB derzeit nicht empfohlen. So zeig-
te sich zwar in initialen Studien eine
Verbesserung des Blutdrucks und der
Mikroalbuminurie jedoch fand die
ONTARGET-Studie (Renal Outcomes
With Telmisartan, Ramipril, or Both,
in People at High Vascular Risk) eine
Verdopplung des Kreatinins und der
Dialysepflichtigkeit unter der dualen
RAS-Blockade [15]. Auch in der Sub-
gruppe der Patienten mit Diabetes,
die über 700 Individuen einschloss,
zeigte sich kein signifikanter Effekt
auf das renale Outcome verglichen
mit einer Monotherapie [16]. Die
AVOID-Studie (Aliskiren combined
with losartan in type 2 diabetes and
nephropathy) untersuchte, ob der
Renin-Inhibitior Aliskiren bei Diabe-
tes in kombinierter Gabe mit dem
ARB Losartan einen additiven anti-
proteinurischen Effekt besitzt. Die
gewonnen Daten legten einen reno-
protektiven Effekt nahe [21]. Zur
Abschätzung des kardiovaskulären
Risikos unter der Therapie mit Aliski-
ren wurde 2007 die ALTITUDE-Studie
(Aliskiren Trial in Type 2 Diabetes
Using Cardio-Renal Endpoints) begon-
nen. Bis Juni 2010 wurden 8606
Patienten mit Typ-2-Diabetes und
zusätzlicher Niereninsuffizienz
(persistierende Mikroalbuminurie,
GFR ≥ 30 < 60 ml/min pro 1,73 m
2
)
eingeschlossen. Je nach Randomisie-
rung wurden 300 mg Aliskiren oder
Placebo zur bestehenden kardiovasku-
lären Medikation, die ACE-Hemmer
oder ARB enthalten durfte, verab-
reicht. Primärer Endpunkt der Studie
waren kardiovaskuläre und renale
Ereignisse [20]. Im Dezember 2011
wurde die Studie aufgrund vermehr-
ter Nebenwirkungen frühzeitig abge-
brochen (nicht-tödlichen Schlaganfäl-
le, renale Komplikationen, Hyperka-
liämie und Hypotension).
kurzgefasst
ACE-Hemmer und AT
1
- Antago-
nisten können das Auftreten einer
terminalen Niereninsuffizienz und die
Progression der Mikroalbuminurie/
Proteinurie verzögern.
Wie eingangs erwähnt, ist häufig eine
Kombination aus zwei oder mehreren
antihypertensiven Medikamenten
notwendig, um eine effektive Blut-
drucksenkung zu gewährleisten. Die
potenziellen Optionen zur Kombinati-
on unterscheiden sich grundsätzlich
nicht von der bei Patienten ohne Dia-
betes. Jedoch sollte, entsprechend den
Empfehlungen für die Monotherapie,
von Beta-Blockern oder Thiaziddiure-
tika abgesehen werden, sofern für
diese Substanzen keine gesonderte
Indikation vorliegt, wie z. B. eine
Herzinsuffizienz oder koronare Herz-
krankheit. Folgende Kombinationen
erscheinen aufgrund der sich ergän-
zenden Wirkmechanismen sinnvoll
und werden in den Leitlinien (Deut-
sche Hochdruckliga/Deutsche Hyper-
tonie Gesellschaft) empfohlen: ACE-
Hemmer oder ARB und Calciumanta-
gonisten, ACE-Hemmer oder ARB und
Diuretikum, Calciumantagonist und
Betablocker, Calciumantagonist und
Diuretikum oder Betablocker und
Diuretikum. Die Kombination aus Bet-
ablocker und Diuretikum besitzt
ungünstige metabolische Effekte und
sollte, wenn möglich, bei Diabetes
gemieden werden. Die Datenanalyse
aus der Subgruppe der ACCOMPLISH-
Studie [5] legt nahe, dass als sinn-
vollster Partner für eine ACE-Hem-
mer-Therapie (und wahrscheinlich
auch für ARB) eine Kombination mit
Calciumantagonisten eingesetzt wer-
den sollte. Für eine weiterführende
Dreifach-Kombination liegen derzeit
keine gesicherten Daten vor.
kurzgefasst
Als bester Partner für eine
Kombination (und wahrscheinlich
auch für AT
1
-Rezeptorblocker) gelten
Calciumantagonisten.
Konsequenz für Klinik
und Praxis
Gemäß den Leitlinien der ESC und
ESH und der aktuellen Bewertung der
deutschen Hochdruckliga:
▶ Lebensstilmodifikationen mit Fokus
auf Gewichtsverlust und Reduktion
der Kochsalzeinnahme anstreben
▶ Zielblutdruck: 130-140/80-85
mmHg; antihypertensive Therapie
ggf. schon bei hochnormalen Wer-
ten beginnen.
▶ Manche Diabetiker neigen aufgrund
einer autonomen Neuropathie zu
orthostatischem Blutdruckabfall.
Daher sollten Blutdruckwerte auch
im Stehen gemessen werden.
▶ Alle gut tolerierten und wirksamen
Medikamente können verwendet
werden; häufig ist eine Kombinati-
on aus zwei oder mehr Antihyper-
tensiva notwendig.
▶ Die Behandlungsstrategie sollte sich
gegen alle kardiovaskulären Risiko-
faktoren richten.
▶ Liegt keine weitere Indikation wie
z. B. Herzinsuffizienz oder koronare
Herzkrankheit vor, sollte die Thera-
pie nicht mit Betablockern oder
Thiaziddiuretika eingeleitet werden.
▶ Eine Senkung des Blutdruckes wirkt
renoprotektiv, dies wird verstärkt
durch die Verwendung von Blo-
ckern des Renin-Angiotensin Sys-
tems (sowohl ACE-Hemmer wie
auch AT
1
-Blocker). Daher sollten
auch bei hoch normalen Blutdruck-
werten und gleichzeitig nachgewie-
sener Mikroalbuminurie bevorzugt
ACE-Hemmer und AT
1
-Blocker ver-
wendet werden.
Autorenerklärung: Die Autorin
erklärt, dass sie keine finanzielle Ver-
bindung mit einer Firma hat, deren
Produkt in diesem Beitrag eine Rolle
spielt (oder mit einer Firma, die ein
Konkurrenzprodukt vertreibt).
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Medizinische Klinik I - Kardiologie, Pneu-
mologie, Angiologie und Internistische
Intensivmedizin Universitätsklinikum
Aachen
Korrespondenz
Dr. med. Katharina Heß
Medizinische Klinik I - Kardiologie, Pneu-
mologie, Angiologie und Internistische
Intensivmedizin, Universitätsklinikum
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52074 Aachen
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Fax: 0241/80-82545
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Der Beitrag ist erstmals erschienen in der
Deutschen Medizinischen Wochenschrift
(Dtsch Med Wochenschr 2012; 137:2489–
2492). Alle Rechte vorbehalten.