Nr. 2 • Februar 2013
15
Medizin
Für die unverblindete Studie rekrutier-
ten die Autoren Krankenhauspatienten
mit Venenverweilkanüle und einer zu
erwartenden Behandlungsdauer von
mehr als 4 Tagen. Die Patienten wur-
den randomisiert auf zwei Gruppen
verteilt: In der einen Gruppe wurde
die Verweilkanüle nur dann gewech-
selt, wenn es zu Komplikationen wie
einer Phlebitis, Irritationen oder eine
Okklusion gekommen war oder wenn
die Patienten sich die Kanüle verse-
hentlich selbst entfernt hatten. In der
anderen Gruppe wurde die Verweilka-
nüle unabhängig vom Zustand oder
von Beschwerden routinemäßig nach
jedem dritten Tag gewechselt. Primä-
rer Endpunkt war eine Phlebitis bei
liegender Kanüle oder innerhalb 48
Stunden nachdem sie entfernt war. Als
Äquivalenzgrenze war ein Wert von 3%
gesetzt. Sekundäre Endpunkte bein-
halteten unter anderem kanülenbe-
dingte systemische und lokale Infek-
tionen, die Kolonisation der Kanülen-
spitze und die Anzahl der verwende-
ten Kanülen. In die Analyse gingen
3283 Patienten mit insgesamt 5907
Venenverweilkanülen und 17 412
Kanülentagen ein. Dabei waren 1593
Teilnehmer in der Gruppe, in der die
Kanüle nur bei klinischer Notwendig-
keit gewechselt wurde und 1690 Teil-
nehmer in der Gruppe mit routinemä-
ßigem Wechsel nach 3 Tagen. Die Lie-
gezeiten der Kanülen betrugen ent-
sprechend zwischen 48 und 561 Stun-
den bzw. 48 und 96 Stunden, im Mittel
99 bzw. 70 Stunden. Eine Phlebitis trat
in beiden Gruppen bei 114 Patienten
auf, einer Rate von jeweils 7% entspre-
chend. Dies bedeutete eine Risikore-
duktion von 0,41% (95%-Konfidenzin-
tervall -1,33%-2,15%), was innerhalb
der vordefinierten Grenze von 3% lag.
Fazit
Periphere Venenverweilkanülen müs-
sen nicht routinemäßig gewechselt
werden, denn es ist ausreichend, dies
nur bei klinischer Notwendigkeit zu
tun. Auf diese Weise lassen sich Millio-
nen von Kanülen und die entsprechen-
den Kosten einsparen, zudem ist dies
auch angenehmer für die Patienten, so
die Autoren.
Sponsoring: Die Studie wurde von
staatlichen Einrichtungen gefördert.
Dr. med. Johannes Weiß
Der Beitrag ist erstmals erschienen in der
Deutschen Medizinischen Wochenschrift
(Dtsch Med Wochenschr 2012; 137:2408).
Alle Rechte vorbehalten.
Allgemein wird empfohlen, Venenverweilkanülen bei Erwachsenen
nach einer Liegedauer von 72 bis 96 Stunden routinemäßig zu wech-
seln. Ob ein solches Vorgehen tatsächlich sinnvoll ist, untersuchten
nun C. M. Rickard et al.
Lancet 2012; 380: 1066–1074
Krankenhausmedizin
Wann müssen Venenverweil-
kanülen gewechselt werden?
Die Autoren suchten hierzu in ver-
schiedenen Datenbanken nach rando-
misierten und kontrollierten Studien,
die bei Patienten mit chronischen
Schmerzen eine Akupunkturbehand-
lung mit einer Scheinbehandlung
(Placebo) oder gar keiner Therapie
verglichen. Die Schmerzen mussten
für mindestens 4 Wochen bestehen
und die Indikationsbereiche unspezi-
fische Rücken- oder Nackenschmer-
zen, Schulterschmerzen, chronische
Kopfschmerzen oder Osteoarthritis
umfassen.
In die Analyse gingen 29 Studien mit
insgesamt 17 922 Patienten ein. In
der primären Analyse erwies sich die
Akupunktur sowohl gegenüber einer
Scheinbehandlung als auch gegenüber
keiner Behandlung für alle Schmerz-
indikationen als hochsignifikant über-
legen (p<0,001). Dieses Ergebnis blieb
vergleichbar, nachdem Studien mit
Verzerrungseffekt ausgeschlossen
waren. Patienten, die eine Akupunk-
turbehandlung erhielten, wiesen
deutlich niedrigere Schmerzscores
auf. Die Effektstärke für Akupunktur
betrug gegenüber der Scheinbehand-
lung 0,23 für muskuloskelettale
Schmerzen (Rücken-, Nacken- und
Schulterschmerzen), 0,16 für eine
Osteoarthritis und 0,15 für chronische
Kopfschmerzen. Im Vergleich zu kei-
ner Behandlung lag die Effektstärke
für Akupunktur bei 0,55, 0,57 und
0,42. Die Ergebnisse zeigten sich auch
in den Sensitivitätsanalysen als stabil.
Fazit
Eine Akupunkturbehandlung erwies
sich in der Therapie chronischer
Schmerzen als effektiv und stellt
daher eine geeignete Behandlungs-
option dar. Signifikante Unterschiede
zwischen realer und Scheinakupunk-
tur zeigen, dass die Ergebnisse mehr
als nur ein Placeboeffekt sind. Aller-
dings waren diese Unterschiede rela-
tiv diskret. Dies deutet darauf hin,
dass zusätzlich zu den spezifischen
Wirkungen der Akupunktur auch
noch andere Faktoren zum therapeu-
tischen Effekt beitragen, so die Auto-
ren.
Sponsoring: Die Studie wurde von
staatlichen Einrichtungen gefördert.
Dr. med. Johannes Weiß
Der Beitrag ist erstmals erschienen in der
Deutschen Medizinischen Wochenschrift
(Dtsch Med Wochenschr 2012; 137:2409).
Alle Rechte vorbehalten.
Akupunktur wird in der Behandlung chronischer Schmerzen häufig
eingesetzt, doch über den Wert und die Effektivität dieser Therapie-
form gehen die Meinungen auseinander. A. J. Vickers et al. versuch-
ten nun in einer Meta-Analyse für etwas mehr Klarheit zu sorgen.
Arch Intern Med 2012; 172: 1444-1453
Schmerztherapie
Akupunktur hilft bei
chronischen Schmerzen
Zur Auswertung kamen Daten von
44 708 zwischen 2003 und 2004 auf-
genommenen Patienten über 45 Jah-
ren mit Zustand nach Myokardinfarkt,
invasiv gesicherter KHK ohne abge-
laufenen Infarkt und Patienten mit
mindestens drei Risikofaktoren für
kardiovaskuläre Erkrankungen. Jede
dieser drei Gruppen wurde in zwei
Subgruppen aufgeteilt – Patienten mit
und ohne Betablockertherapie. Die
mittlere Nachbeobachtungsdauer
betrug 44 Monate. Als primären End-
punkt definiert das Protokoll eine
Kombination aus kardiovaskulärer
Mortalität, nichttödlichem Myokard-
infarkt und Schlaganfall, als sekundä-
ren Endpunkt eine Kombination des
primären Endpunkts mit Hospitalisie-
rung aus kardiovaskulärer Ursache.
Tertiäre Endpunkte waren alle Ereig-
nisse des primären und sekundären
Endpunkts als Einzelereignisse.
21 860 Patienten wurden in die „pro-
pensity score matching-Analyse“ ein-
bezogen.
In der Gruppe der Patienten, die
einen Myokardinfarkt erlitten hatten,
traten alle Endpunkte mit Betablo-
ckertherapie gleich häufig auf wie
ohne Therapie. Die Patienten mit KHK
ohne Myokardinfarkt wiesen keinen
Unterschied in Bezug auf den primä-
ren Endpunkt auf. Der sekundäre
Endpunkt und die Hospitalisierung
kamen unter Betablockertherapie sig-
nifikant häufiger vor (30,59% vs.
27,84%, p=0,01 und 24,17% vs. 21,48%,
p=0,01). Bei Patienten, die lediglich
KHK-Risikofaktoren aufwiesen, wur-
den der primäre und sekundäre End-
punkt bei Betablockertherapie signifi-
kant häufiger beobachtet (14,22% vs.
12,11%, p=0,02 und 22,01% vs. 20,17%,
p=0,04), der tertiäre Endpunkt jedoch
nicht. In einer Subgruppe von Patien-
ten, die innerhalb des letzten Jahres
einen Herzinfarkt erlitten hatten, war
die Betablockertherapie mit einer
niedrigeren Inzidenz des sekundären
Endpunktes assoziiert (Odds Ratio
[OR] 0,77, 95%-Konfidenzintervall [KI]
0,64-0,92). In Subgruppen mit und
ohne Herzinsuffizienz ergaben sich
keine abweichenden Ergebnisse.
Fazit
In dieser Beobachtungsstudie mit
Patienten nach Herzinfarkt, mit KHK
ohne Infarkt und Patienten mit
KHK-Risikofaktoren verminderte eine
Betablockertherapie nicht die Zahl
kardiovaskulärer Ereignisse. Weitere
Studien sollten Subgruppen, die von
Betablockern profitieren, und die
optimale Therapiedauer definieren.
Sponsoring: Die Studie wurde von
einer Stiftung und zwei Pharmafirmen
finanziert.
Dr. med. Peter Pommer
Der Beitrag ist erstmals erschienen in der
Deutschen Medizinischen Wochenschrift
(Dtsch Med Wochenschr 2012; 137:2625).
Alle Rechte vorbehalten.
Betablocker gehören zum Standardrepertoire der Therapie der koro-
naren Herzkrankheit (KHK). Die Evidenz dafür stammt aus Studien,
die vor der Ära der routinemäßigen Revaskularisation durchgeführt
wurden. Zur Neubewertung analysierten Bangalore et al. Daten des
Reduction-of-Atherothrombosis-for-Continued-Health-Registers
(REACH-Register).
JAMA 2012; 308: 1340-1349
Kardiologie
Betablockertherapie
vermindert kardiovaskuläre
Ereignisse nicht
Akupunktur hilft bei chronischen Schmerzen (Fotograf: M. Zimmermann).
Akupunkturnadeln
(Fotograf: M. Zimmermann).
Kurzmitteilung
Aldosteronantagonisten bei Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion?
Die Aldosteronantagonistentherapie (AAT) bei Herzinsuffizienz und reduzierter Ejek-
tionsfraktion hat sich in randomisierten Studien als sehr wirksam gezeigt. A. F. Her-
nandez et al. untersuchten nun die Effektivität der AAT in der klinischen Praxis. Von
den 5887 Patienten mit einem mittleren Alter von 77,6 Jahren, die aufgrund von
Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion im Krankenhaus waren, starteten
18,2% die AAT bei der Entlassung. Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen
Patienten mit und ohne AAT bezüglich Mortalität (Hazard Ratio [HR] 1,04, p=0,32)
und der Wiederaufnahme ins Krankenhaus aufgrund von kardiovaskulären Ursachen
(HR 1,00, p=0,94). Die Wiederaufnahme wegen Herzinsuffizienz nach drei Jahren war
unter AAT geringer (HR 0,87, p=0,02), die Wiederaufnahme wegen Hyperkaliämie
nach 30 Tagen und 1 Jahr dagegen war bei Patienten mit AAT signifikant erhöht
(HR 2,54, p<0,001 nach 30 Tagen; HR 1,50, p<0,001 nach 1 Jahr).
shv
JAMA 2012; 308: 2097-2107
– Anzeige –