Berufspolitik
Nr. 4 • April 2014
2
Die aktuelle Gebührenordnung für
Ärzte (GOÄ) ist seit 1982 nur in klei-
nen Bereichen aktualisiert worden,
zuletzt im Jahre 1996. Eine Überar-
beitung ist längst überfällig. Das Leis-
tungsverzeichnis bildet die moderne
Medizin mit ihren Neuentwicklungen
der letzten Jahre nicht mehr ab und
der Vergütungsrahmen ist völlig ver-
altet.
Nun haben sich die Bundesärztekam-
mer und der Verband der Privaten
Krankenversicherung (PKV), auf
Drängen der Bundesregierung, Ende
letzten Jahres in einer Rahmenver-
einbarung darauf verständigt, einen
gemeinsamen Novellierungsvor-
schlag zu erarbeiten.
Neu ist, dass erstmals die PKV als
Verhandlungspartner auftritt. Bislang
war es allein Aufgabe der Bundesärz-
tekammer, eine GOÄ-Vorlage zu erar-
beiten und dem Bundesgesundheits-
minister zur Unterschrift vorzulegen.
Damit bekommt die PKV eine Mög-
lichkeit, auf das Vertragsverhältnis
zwischen Arzt und Patient Einfluss
zu nehmen.
Die Vorstellungen der PKV zielten auf
eine Annäherung an die GKV hin. Sie
wollte u.a. eine Öffnungsklausel, die
es erlaubt hätte, direkte Verträge mit
den Ärzten unter Umgehung des
Patienten abzuschließen. Dies konnte
zum Glück abgewehrt werden. Es
bleibt beim Rechtsverhältnis Arzt/
Patient. Aber eine Annäherung an die
GKV gibt es durch die betriebswirt-
schaftliche Kalkulation der Bewer-
tung der neuen Einzelleistungen
mit einer Trennung der Arztleistung
von den übrigen Kosten. Das hat es
bereits im EBM 2000 mit dem kalku-
lierten Arztlohn gegeben.
Das Festhalten an der Einzelleis-
tungsvergütung und die Bildung von
Leistungskomplexen sind grundsätz-
lich zu begrüßen. Doch zu achten ist
auf kompetente fachliche Beratung
bei der Bildung von Leistungskom-
plexen. Vermieden werden muss eine
ö konomisch gesteuerte Bildung von
Leistungskomplexen.
Zwar gibt es weiterhin Multiplikato-
ren, doch diese werden durch den
„robusten Einfachsatz“ als Durch-
schnittswert eingegrenzt. Die PKV
hat damit einen Schritt hin zur Ein-
heitsbewertung der einzelnen Leis-
tungen erreicht.
Nur bei Begrü ndung der besonderen
Schwere kann im Einzelfall der
robuste Einfachsatz gesteigert wer-
den. Eine Gemeinsame Kommission
zur Pflege und Weiterentwicklung
der GOÄ von BÄ K und PKV-Verband
soll hierzu die Kriterien präzisieren.
Diese neue Konstruktion der
Gemeinsamen Kommission von
BÄK und PKV erlaubt es den Kran-
kenversicherungen, künftig mehr als
bisher in die Rechnungsstellung ein-
greifen zu kö nnen. Sie werden auf
diesem Weg ü ber die gemeinsame
Arbeit mit der BÄ K ein direkter Ver-
tragspartner. Strukturelemente aus
der gesetzlichen Krankenversiche-
rung – siehe der Gemeinsame Bun-
desausschuss – sind unübersehbar.
Das Prinzip der Analogbewertungen
zur Abbildung innovativer und bisher
nicht in der GOÄ abgebildeter Leis-
tungen soll fortgeschrieben werden.
Allerdings soll die Gemeinsame Kom-
mission Vorgaben zur Handhabung
der Analogabrechnungen festlegen.
Es ist denkbar, dass somit eine neue
Leistung grundsätzlich ü ber Analog-
ziffern abgerechnet wird, PKV und
BÄ K sich aber einigen, diese Leistung
nicht in die GOÄ zu ü bernehmen.
Es sieht so aus, als ob hier eine Art
Erlaubnisvorbehalt wie im EBM
durch die Hintertü r eingefü hrt wird.
In einer gemeinsamen Qualitäts-
offensive wollen die Verhandlungs-
partner festlegen, welche Leistungen
medizinisch notwendig sind. Das
könnte es der PKV erleichtern,
zukü nftig ihren Versicherten Leistun-
gen vorenthalten zu kö nnen. Details
dazu soll eine weitere gemeinsame
Arbeitsgruppe ausarbeiten.
BÄ K und PKV wollen vor Inkrafttre-
ten der neuen GOÄ festlegen, welcher
Honorarzuwachs innerhalb der ers-
ten drei Jahre zu erwarten sein wird.
Das ist ein Ansatz zur Budgetierung
wie in der gesetzlichen Krankenversi-
cherung.
Bis zum 31.12.2014 wollen sich die
Verhandlungspartner auf einen gre-
mienreifen Entwurf der neuen GOÄ
mit Leistungslegenden, Punktzahlen
und Punktwerten einigen. Mit dem
Segen der Bundesregierung könnte
dann die neue GOÄ 2015 in Kraft
treten.
Alles in allem festigt sich der Ein-
druck, dass es der PKV gelungen ist,
Elemente des GKV-Systems in die
private GOÄ einzuführen.
Ihr
Dr. med. Wolfgang Wesiack
Präsident BDI e.V.
Präsident
Dr. med. Wolfgang Wesiack,
Hamburg
Editorial
Im Koalitionspapier geplant ist eine
sektorenübergreifende Qualitätssiche-
rung mit Routinedaten. Dazu soll ein
Institut gegründet werden, das dauer-
haft und unabhängig die Qualität der
ambulanten und stationären Versor-
gung ermittelt und dem G-BA Ent-
scheidungsgrundlagen liefert.
Die Einhaltung der sektorenübergrei-
fenden Qualitätssicherung mit Routi-
nedaten soll in den Krankenhäusern
durch den MDK überprüft werden. Da
sie sektorenübergreifend geplant ist,
ist nicht auszuschließen, dass der MDK
auch im ambulanten Sektor tätig wer-
den könnte. Diese Ausweitung der
Kontrollfunktionen des MDK wird vom
Berufsverband Deutscher Internisten
abgelehnt.
Notfallversorgung als Aufgabe der
Niedergelassenen
Die Notfallversorgung soll zu allererst
Aufgabe der Niedergelassenen bleiben.
Dennoch wird der organisierte Notfall-
dienst durch direkte Inanspruchnahme
des Krankenhauses durch die Patienten
umgangen – was auch oft auf regionale
Organisationsdefizite zurückzuführen
ist. Aus Sicht des BDI besteht auch kein
Anlass, in der Notfallversorgung die
Ausnahme zur Regel zu machen.
Für die Notfallversorgung im Kranken-
haus wird eine Anpassung der Rah-
menbedingungen und der Vergütung
gefordert. Insgesamt muss die Vergü-
tung des ambulanten Notfalldienstes
sowohl bei den Vertragsärzten, als
auch in den Krankenhäusern aufge-
stockt werden. Der Realität, dass beide
Ebenen bei der Versorgung beteiligt
sind, muss Rechnung getragen werden,
auch wenn die KV allein für die Sicher-
stellung verantwortlich gemacht wird.
Das Ziel, die Anreize zur Niederlassung
in unterversorgten Gebieten weiter zu
verbessern, wird vom Grundsatz her
befürwortet. Steigende Arztzahlen zur
Kompensation von Unterversorgung
und damit zusätzliche medizinische
Leistungen müssen aber durch die
Kostenträger finanziert werden.
Wir haben gerade erst eine neue
Bedarfsplanungs-Richtlinie bekom-
men, stellt das Vorstandsressort
„Ambulante Versorgung“ fest, die noch
nicht den erhofften Effekt auf eine Ver-
besserung der ambulanten Versorgung
in unterversorgten Gebieten gehabt
hat. Eine Entbürokratisierung darf
nicht zu einer Beliebigkeit in der Zulas-
sungssystematik führen; auf keinen
Fall darf es dadurch zu einer wirt-
schaftlichen Schieflage bestehender
Praxen kommen.
Bestrebungen zur Ausweitung von
Institutsermächtigungen ist entgegen-
zutreten. Von regionalen Ausnahme-
situationen abgesehen können nur
persönliche Ermächtigungen aus
Sicherstellungsgründen befürwortet
werden.
Im Koalitionspapier werden die
gesetzlichen Vorgaben zum Abbau von
Überversorgung durch den Aufkauf
von Arztsitzen von einer „Kann“- in
eine „Soll“-Regelung überführt. Ord-
nungspolitisch ist ein Zwangsaufkauf
von Arztsitzen als Eingriff in das per-
sönliche Verfügungsrecht über Eigen-
tum der Praxisabgeber zu werten. Eine
Verschlechterung der regionalen Ver-
sorgung als Auswirkung eines Aufkaufs
ist unbedingt zu vermeiden. Eventuell
frei werdende Mittel müssen in der
ambulanten Versorgung verbleiben.
BDI sieht Budgetierung als Ursache
der Wartezeiten
Die Forderung im Koalitionspapier,
dass im Regelfall eine Wartezeit von
vier Wochen für einen Facharzt-Ter-
min nicht überschritten werden soll,
basiert auf weitestgehend unzutreffen-
den Annahmen. In der Umsetzung –
ambulante Behandlung in einem Kran-
kenhaus zu Lasten des jeweiligen KV-
Budgets – würde dies die Vertragsärzte
zu einer Mehrleistung ohne angepasste
Vergütung bzw. zu einem Honorarver-
zicht zugunsten von Krankenhäusern
zwingen. Die Krankenhäuser würden
veranlasst, Strukturen zur Erbringung
ambulanter Leistungen aufzubauen,
deren Kosten die reinen Honoraranfor-
derungen deutlich überschreiten wür-
den, abgesehen von dem zu erwarten-
den Bürokratieaufwand. Besser wäre
es, innerärztlich nach einer Lösung für
tatsächlich in bestimmten Fällen
bestehende Probleme zu suchen. Der
BDI bleibt im Übrigen bei seiner Forde-
rung, punktuell die Budgetierung zu
lockern, weil dabei die Hauptsache der
Wartezeiten zu sehen ist.
Die Krankenkassen bleiben verpflich-
tet, hausarztzentrierte Versorgung
anzubieten. Die bestehenden Vergü-
tungsbeschränkungen werden aufge-
hoben. Die HzV wird durch „geeignete
Instrumente zur Verbesserung der
Wirtschaftlichkeit und Qualitätssiche-
rung“ dem Kollektivvertrag angegli-
chen. Das bedeutet, dass der Gesetzge-
ber die Selektivvertragsteilnehmer
nicht aus der Verantwortung für Wirt-
schaftlichkeit und Qualitätssicherung
entlässt. Damit werden vergleichbare
Sanktionsmechanismen wie im Kollek-
tivvertrag unvermeidlich, was der BDI
ablehnt.
Zur fachärztlichen Versorgung findet
sich nur ein dürrer Satz in einem Meer
von Plänen und Absichten: „Darüber
hinaus soll die fachärztliche Versor-
gung gestärkt werden.“ Das Vorstands-
ressort „Weiterbildungsordnung“ kom-
mentiert die kurze Passage in der
Koalitionsvereinbarung zum Thema
„ärztliche Weiterbildung“: Eine alleini-
ge Förderung der Weiterbildung in All-
gemeinmedizin greift zu kurz, wenn es
darum geht, die hausärztliche Versor-
gung zu stärken. Die Statistik zeigt,
dass Internisten und Kinderärzte eben-
falls unverzichtbare Säulen des haus-
ärztlichen Versorgungsbereichs sind.
Bundesweit wird der Mangel an Allge-
meinmedizinern mehr und mehr
durch Internisten aufgefangen. Deshalb
bedarf auch die Weiterbildung haus-
ärztlich tätiger Internisten einer analo-
gen Förderung.
KS
Klausurtagung des BDI-Vorstands in Dresden,
1. Februar 2014
(Fortsetzung von Seite 1)
Der Koalitionsvertrag
unter der Lupe
7. Delegiertenversammlung
des Berufsverbandes Deutscher Internisten e.V.
am Samstag, 26. April 2014, 13.30 Uhr,
Nassauer Hof, Raum Jawlensky,
Kaiser-Friedrich-Platz 3-4, 65183 Wiesbaden
Dr. med. Wolfgang Wesiack, Präsident
Bekanntmachung
Tagesordnung:
TOP 1 Genehmigung des Protokolls der 6. Delegiertenver-
sammlung vom 27. September 2013 in Berlin
TOP 2 Bericht des Präsidenten zur aktuellen berufspolitischen
Lage
TOP 3 Bericht aus der Geschäftsstelle des BDI
– Umsetzung der Beschlüsse der 6. Delegiertenver-
sammlung
– Mitgliederentwicklung im BDI e. V.
TOP 4 Versorgungsqualität im Spannungsfeld von Medizin
und Ökonomie
Referent: Uwe Deh, Geschäftsführender Vorstand
Bundesverband AOK
TOP 5 Bericht aus den Landesverbänden und Sektionen
TOP 6 Anträge
TOP 7 Verschiedenes