Medizin
Nr. 3 • März 2014
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Die Autoren schlossen 35 Studien ein,
die die Zusammenhänge zwischen
aktuellen Konzentrationen von Koh-
lenmonoxid, Schwefeldioxid, Stick-
stoffdioxid sowie Ozon und Feinstaub
mit Hospitalsisierungs- und Mortali-
tätsraten in Folge von Herzinsuffi-
zienz untersuchten. Hospitalisierung
und Mortalität waren assoziiert mit
▶ einer Kohlenmonoxid-Erhöhung
(3,52% pro ppm; 95%-Konfidenz-
intervall [KI] 2,52–4,53),
▶ einer Schwefeldioxid-Erhöhung
(2,36% pro 10 ppb; 95%-KI 1,35–
3,38) und
▶ einer Stickstoffdioxid-Erhöhung
(1,70% pro 10 ppb; 95%-KI 1,25–
2,16).
Es wurde keine Assoziation mit der
Ozonkonzentration festgestellt. Eine
Erhöhung der Feinstaubkonzentration
war widerum mit vermehrten Hospi-
talisierungen und Todesfällen wegen
Herzinsuffizienz verbunden:
▶ 2,12% pro 10 μg/m3 (95%-KI 1,42–
2,82) für die Teilchengröße <2,5 μm
[PM
2,5
] und
▶ 1,63% pro 10 μg/m
3
(95%-KI 1,20–
2,07) für Teilchen <10 μm [PM
10
]
Die stärksten Assoziationen wurde
am Tag der Exposition beobachtet.
Die Autoren errechneten, dass eine
durchschnittliche Verminderung der
Feinstaubexposition (PM
2,5
) um
3,9 μg/m
3
7978 stationäre Aufnah-
men wegen Herzinsuffizienz vermei-
den und damit eine Drittelmilliarde
US-Dollar einsparen könnte.
Fazit
Es gibt eine enge zeitliche Assoziation
zwischen Luftverschmutzung und
Hospitalisierung oder Tod wegen
Herzinsuffizienz. Wegen der enormen
ökonomischen und gesundheitlichen
Bedeutung sollte hier ein wichtiges
Ziel globaler Gesundheitspolitik lie-
gen, so die Autoren.
Kommentar zur Studie
F. Forastiere und N. Agabiti zeigen in
ihrem Kommentar zur Studie Mecha-
nismen auf, wie Luftschadstoffe Herz-
insuffizienz verschlimmern könnten:
oxidativer Stress mit Entzündung,
Dysbalance des vegetativen Nerven-
systems und Eindringen von Schad-
stoffen in den Blutkreislauf lösen
eine biologische Kaskade aus, die in
Thrombozytenaggregation, Vasokon-
striktion, Blutdruckerhöhung und
Rhythmusstörungen mündet. Die
schädlichen Wirkungen der Luftver-
schmutzung begännen bereits unter-
halb der von der EU festgelegten
Grenzwerte. Die EULegislative sei auf-
gerufen, alle nötigen Maßnahmen zur
Reinhaltung der Luft zu ergreifen.
Lancet 2013; 382: 1008–1010
Sponsoring: Die Studie wurde von der
British Heart Foundation finanziert.
Dr. med. Peter Pommer
Die Beiträge sind erstmals erschienen in
der Deutschen Medizinischen Wochen-
schrift (Dtsch Med Wochenschr 2013;
138: 2447 bzw. Dtsch Med Wochenschr
2014; 139: 122). Alle Rechte vorbehalten.
Nach Schätzungen der WHO verursacht Luftverschmutzung weltweit
über eine Million vorzeitiger Todesfälle. Die Luftverschmutzung
führt zu einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität, auch eine posi-
tive Korrelation mit der Herzinfarktrate ist belegt. Shah et al. unter-
suchten nun in einer Metaanlyse, ob eine Assoziation zur Herzinsuf-
fizienz besteht.
Lancet 2013; 382: 1039–1048
Umweltmedizin
Zusammenhang zwischen
Luftverschmutzung und
Herzinsuffizienz?
Die Angina pectoris, der einengende
Brustschmerz, ist das Leitsymptom des
akuten Koronarsyndroms (AKS).
Unmittelbare Diagnostik und lebens-
rettende Therapien werden durch die-
ses Symptom ausgelöst. Einige Patien-
ten haben jedoch keine typischen
Schmerzen. Bei den Älteren sind vor
allem Frauen bzw. Frauen mit Diabetes
schmerzfrei oder schmerzarm. Wie es
sich bei Patienten verhält, die jünger
als 55 Jahre sind, ist bisher noch unzu-
reichend untersucht worden, obwohl
das Fehlen der typischen Schmerz-
symptomatik kein seltenes Phänomen
ist. Aus dem Kollektiv der multinatio-
nalen GENESIS PRAXY-Studie wurden
1015 Patienten unter 55 Jahren analy-
siert. Die Diagnose eines AKS wurde
gestellt anhand klinischer Symptome,
Veränderungen im EKG oder der Her-
zenzyme. Die Patienten waren im Mit-
tel 49 Jahre alt und zu 30% weiblich.
96,6% der Männer und 97% der Frauen
gaben Symptome an, insbesondere
Brustschmerzen oder Kurzatmigkeit.
Weitere Symptome waren Schwäche,
Müdigkeit, Kaltschweißigkeit oder
Schmerzen in der linken Schulter oder
dem linken Arm. Bei den Frauen gaben
19% an, keine Brustschmerzen zu
haben, bei den Männern waren dies
13,7% (p=0,03). Diese Patienten waren
auch insgesamt symptomärmer als die
übrigen Patienten. Risikofaktoren für
ein schmerzfreies AKS waren weibli-
ches Geschlecht und eine gleichzeitig
bestehende Tachykardie. Hinsichtlich
Koronarstenose, Enzymveränderungen
oder AKS-Typ zeigten sich zwischen
den Patienten mit und ohne Brust-
schmerzen keine Unterschiede.
Fazit
Ein akutes Koronarsyndrom ohne Angi-
na pectoris kommt auch bei Patienten
unter 55 Jahren vor; der klinische Ver-
lauf unterscheidet sich nicht vom
schmerzhaften Syndrom, so die Auto-
ren. Frauen seien häufiger schmerzlos
als Männer und sollten daher immer
auch hinsichtlich des akuten Koronar-
syndroms untersucht werden.
Sponsoring: Die Studie wurde von öffent-
lichen Institutionen finanziell unterstützt.
Dr. med. Christoph Feldmann
Bisher ist wenig darüber bekannt, ob geschlechtsspezifische Ausprä-
gungen des akuten Koronarsyndroms auch bei jungen Patienten auf-
treten und welche Faktoren das Fehlen des Leitsymptoms Angina
pectoris bestimmen. Khan et al. widmeten sich nun dieser Fragestel-
lung.
JAMA Intern Med 2013; 173: 1863–1871
Kardiologie
Herzinfarkt ohne Brustschmerzen?