Medizin
Nr. 3 • März 2014
11
Indikationen und Phar-
makokinetik der NOAC
Wir beschränken uns auf die im
deutschsprachigen Raum aktuell ver-
fügbaren Substanzen Apixaban, Dabi-
gatran und Rivaroxaban. Die zugelas-
senen Indikationen sind in Tab. 1, die
pharmakokinetischen Daten in Tab. 2
dargestellt [8, 15, 17, 19]. Alle drei
Substanzen werden oral verabreicht.
Bedeutung der Wirk-
stoffspiegel der NOAC
Der Einfluss der NOAC auf Laborpara-
meter der Hämostase ist abhängig
vom aktuellen Plasmaspiegel des
Medikaments. Dieser unterliegt
jedoch starken Tagesschwankungen
(Abb. 1). Obwohl für eine Therapie
mit NOAC kein Monitoring durchge-
führt werden muss, gibt es klinische
Situationen, in denen die Kenntnis
des aktuellen Wirkstoffspiegels hilf-
reich ist:
▶ vor Notfalloperationen und
Interventionen
▶ Blutungen und unklare Einnahme
von Antikoagulanzien
▶ postulierte akzidentelle Überdosie-
rung oder Einnahme in suizidaler
Absicht
▶ Ausschluss einer Akkumulation
bei Niereninsuffizienz (Leber-
insuffizienz)
▶ schwere Krankheitszustände oder
Polypharmazie
▶ multifaktorielle Beeinflussung der
Hämostaseparameter
Die Wirkstoffspiegelbestimmung hilft,
den resultierenden Einfluss der NOAC
auf die Gerinnungsparameter abzu-
schätzen.
Für die Bestimmung des Dabigatran-
Wirkstoffspiegels verwendet man
Verfahren, die selektiv die Hemmung
von Thrombin erfassen, in der Regel
eine modifizierte Thrombinzeit [18].
Im Falle der FXa-Inhibitoren Rivaroxa-
ban und Apixaban kommen zur
Bestimmung der Wirkstoffspiegel
hauptsächlich Methoden zur Anwen-
dung, die auf dem Konzept der FXa-
Hemmung basieren, so wie sie zur
Messung von Heparinen etabliert sind
[3, 12]. Tab. 3 zeigt die zu erwarten-
den Wirkstoffkonzentrationen für
Dabigatran und Rivaroxaban bei ver-
schiedenen Dosierungen [13, 20]. Für
Apixaban sind derzeit noch keine sys-
tematischen Untersuchungen verfüg-
bar.
kurzgefasst
Die Wirkstoffspiegel der NOAC
zeigen große interindividuelle Unter-
schiede. Bei gleicher Dosierung kann
daher auch der Einfluss auf Gerin-
nungstests sehr unterschiedlich sein.
Einfluss der NOAC
auf verschiedene
Gerinnungstests
Verschiedene Parameter der Gerin-
nung werden zum Monitoring von
herkömmlichen Antikoagulanzien
eingesetzt:
▶ der Quick-Test als International
Normalized Ratio (INR) für die
Vitamin-K-Antagonisten (VKA),
▶ die aktivierte partielle Thrombo-
plastinzeit (aPTT), die Thrombinzeit
(TZ) und die anti-FXa-Bestimmung
für Heparine.
Als Folge dieser Anwendung hat sich
eine Vorstellung entwickelt über das
Ausmaß der Wirksamkeit bzw. der
Blutungsneigung bei einem bestimm-
ten Laborwert. Aus den unter den
NOAC erhaltenen Laborwerten dürfen
jedoch nicht die gleichen Rückschlüsse
auf die Gerinnungssituation gezogen
werden. Je nach Situation kann ein
geringfügig verminderter Quick-Wert
nämlich bereits Ausdruck einer thera-
peutischen Dosis und damit einer
deutlichen Blutungsneigung sein.
kurzgefasst
Es bestehen große Unterschiede
in der Sensitivität verschiedener Rea-
genzien auf die NOAC. Gerinnungs-
tests können in verschiedenen Labors
daher sehr unterschiedlich ausfallen.
Im Folgenden beschreiben wir den
Einfluss der NOAC auf die in der Pra-
xis am häufigsten verwendeten
Gerinnungstests. Eine Zusammenfas-
sung findet sich in Tab. 4, eine sche-
matische Darstellung der Gerinnungs-
kaskade in Abb. 2.
Quick-Test (Thromboplastinzeit,
prothrombin time)
Testprinzip
In Blutplasma wird durch Zugabe des
Reagenzes mit Thromboplastin, Phos-
pholipiden und Calciumchlorid die
Fibrinbildung induziert und die Zeit
bis zur Bildung eines Gerinnsels
gemessen. Der Quick-Test erfasst die
sogenannte „extrinsische Gerinnungs-
kaskade“, bei der die Gerinnungsfak-
toren VII, X, V, II (Prothrombin) und
Fibrinogen beteiligt sind.
Einfluss der NOAC
Apixaban und Rivaroxaban sind Inhi-
bitoren des aktivierten Faktor X und
beeinflussen daher den Quick-Wert.
In einer Studie mit gesunden Proban-
den zeigte Rivaroxaban 2–3 Stunden
nach Einnahme des Medikaments
(Zeitpunkt der maximalen Plasma-
konzentration) eine Verminderung
des Quick-Prozentwerts von rund
20–30% [1]. Allerdings konnte bereits
12 Stunden nach einmaliger Einnah-
me von Rivaroxaban in prophylakti-
scher Dosierung (10 mg) kein signifi-
kanter Effekt auf den Quick-Test mehr
nachgewiesen werden [10].
Dabigatran ist ein direkter Thrombin-
Inhibitor und beeinflusst den Quick-
Test ebenfalls. Bei Wirkstoffspiegeln
im Talspiegelbereich sind nur geringe
Für die Therapie und Prophylaxe thromboembolischer Ereignisse stehen mit den neuen oralen Antiko-
agulanzien (NOAC) vielversprechende Präparate zur Verfügung. Vorteile sind
▶die perorale Einnahme mit fixer Dosis ohne Notwendigkeit zu Labor-Monitoring und Dosisanpassung,
▶eine berechenbare Wirksamkeit mit breitem therapeutischem Fenster und
▶wenig Interferenzen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten [14, 16, 21].
Die NOAC entfalten ihre Wirkung entweder auf Stufe des aktivierten Faktor X (FXa) oder des aktivierten
Faktor II (FIIa, Thrombin). Dadurch können sie häufig benutzte Laborparameter der Hämostase beeinflus-
sen und die Interpretation in einer Reihe von klinischen Situationen erschweren. Mit dem vorliegenden
Artikel soll die Beeinflussung der häufigsten hämostaseologischen Labortests durch die NOAC und deren
Relevanz für die klinische Praxis diskutiert werden. Zusätzlich werden Indikationen und Methoden zur
Bestimmung der Wirkstoffspiegel erläutert.
Neue orale Antikoagulanzien
Einfluss der oralen Antikoagulanzien
auf Gerinnungstests
Abb.1
Zeitlicher Verlauf der Wirkstoffspiegel der NOAC im Vergleich zu herkömmlichen
Substanzen. Gezeigt sind die Veränderungen der Hämostaseparameter im 24-Stunden-
Verlauf. VKA = Vitamin-K-Antagonisten (INR [international normalized ratio] 2–3), UFH =
unfraktioniertes, intravenöses Heparin (therapeutische Dosis), NMH = niedermolekulare
Heparine (Dalteparin 200 E/kg 1 × tgl.). Dabigatranetexilat 110 mg 2 × tgl., Riva-roxaban
20 mg 1 × tgl., Apixaban 5 mg 2 × tgl. [14] (mit freundlicher Genehmigung des Verlags
Hans Huber – Hogrefe AG Bern).
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
0 h 2 h 4 h 6 h 8 h 10 h 12 h 14 h 16 h 18 h 20 h 22 h 24 h
VKA
UFH
NMH
Dabigatranetexilat
Rivaroxaban
Apixaban
ausstattung mit meist onkozytärem
luminalen Epithel und angrenzendem
Myoepithel. Die differenzialdiagnosti-
sche Abgrenzung von anderen beni-
gnen Entitäten, wie zum Beispiel dem
pleomorphen Adenom und anderen
von den kleinen Bronchusdrüsen aus-
gehenden Adenomen, gelingt meist
ohne immunhistologische Zusatzun-
tersuchungen. Bei unklaren Fällen
kann jedoch das typische Markerpro-
fil der Läsion mit einer starken
Expression der Zytokeratine 7, 8 und
19 im luminalen Epithel sowie
Expression von Vimentin, p63 und
der Zytokeratine 5 und 14 in den
basalen Zellen hilfreich sein [5].
Obwohl im Allgemeinen zu den gut-
artigen Speicheldrüsentumoren
gerechnet, wurden innerhalb des Sia-
ladenoma papilliferum dysplastische
Oberflächenepithelien bis hin zum
Carcinoma in situ [9] und einmalig
auch Anteile eines epithelialen-myo-
epithelialen Karzinoms beschrieben
[12], sodass ein malignes Potenzial
besteht. Bei einem Fall ließ sich in
dem das endobronchiale Sialadenoma
papilliferum umgebenden Lungenpa-
renchym zusätzlich ein schlecht diffe-
renziertes Plattenepithelkarzinom der
Lunge nachweisen [2].
In den beiden vorbeschriebenen Fäl-
len war jeweils eine chirurgische
Tumorresektion erfolgt [2, 7]. Wie wir
am vorliegenden Fall zeigen konnten,
kann eine vollständige endobronchia-
le Tumorentfernung, für die sich der
Einsatz optischer Zangen, der Kryo-
sonde, des Lasers oder elektronischer
Hochfrequenz-Schlingen und -Zangen
empfiehlt, eine thoraxchirurgische
Resektion ersetzen. Dies bietet sich
insbesondere bei Patienten mit einem
erhöhten Operationsrisiko an. Unab-
dingbare Voraussetzungen hierfür
sind eine vollständige Tumorentfer-
nung und der sichere Ausschluss
maligner Zellen in der stufenweisen
histologischen Aufarbeitung. Bislang
wurden Rezidive eines endobronchia-
len Sialadenoma papilliferum nicht
beschrieben. Es ist jedoch bekannt,
dass der Tumor im Bereich der Mund-
höhle in 10–15% der Fälle zu Rezidi-
ven neigt [3]. Regelmäßige Nachun-
tersuchungen sind daher ratsam;
allerdings existieren für den sehr sel-
tenen Tumor keine evidenzbasierten
Empfehlungen zum Nachsorgeinter-
vall. Über Intervall und Umfang der
Nachsorgeuntersuchungen sollte indi-
viduell entschieden werden.
Konsequenz für Klinik und Praxis.
▶ Das Sialadenoma papilliferum ist
ein benigner Tumor, ausgehend von
den kleinen Speicheldrüsen, der
auch endobronchial vorkommen
kann.
▶ Die Diagnosestellung erfolgt
anhand der typischen Histologie
und ggf. zusätzlicher immunhisto-
chemischer Marker.
▶ Eine vollständige endoskopische
Tumorentfernung sollte, sofern
möglich, einem offenen thorax-
chirurgischen Vorgehen vorgezogen
werden.
▶ Aufgrund einer geringen Rezidiv-
neigung sowie des Risikos der mali-
gnen Transformation sind Nachsor-
geuntersuchungen empfehlenswert,
deren Intervall und Umfang indivi-
duell festgelegt werden sollten.
Autorenerklärung: Die Autoren erklä-
ren, dass sie keine finanzielle Verbin-
dung mit einer Firma haben, deren
Produkt in diesem Beitrag eine Rolle
spielt (oder mit einer Firma, die ein
Konkurrenzprodukt vertreibt).
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1 Klinik für Pneumologie, Allergologie,
Schlaf- und Beatmungsmedizin und tho-
rakale Onkologie, Lungenklinik Lostau
2 Praxis für Pathologie, Stendal
Korrespondenz
Dr. med. Mathias Jüch
Klinik für Pneumologie, Allergologie,
Schlaf- und Beatmungsmedizin und
thorakale Onkologie,
Lungenklinik Lostau gGmbH
Lindenstr. 2
39291 Lostau
Telefon: 039222/81203
eMail:
,
Der Beitrag ist erstmals erschienen in der
Deutschen Medizinischen Wochenschrift
(Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 187-
190). Alle Rechte vorbehalten.