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Der Gemeinsame Bundesausschuss
(GBA) hat beschlossen, dass bei der
Früherkennung von Darmkrebs zu­
künftig neue Testverfahren anzu­
wenden sind. Quantitative immu­
nologische Tests zum Nachweis von
nicht sichtbarem Blut im Stuhl sol­
len den Guajak­basierten Test ablö­
sen.
„Die derzeitigen Maßnahmen
zur Früherkennung von Darm­
krebs, die auf der Eigeninitiative der
Versicherten oder der behandeln­
den Ärzte beruhen, werden vom
GBA zu einem systematischen
Screening­Programm weiterentwi­
ckelt. Die Beratungen hierzu sind
vielschichtig und können nur
schrittweise abgeschlossen werden.
Die Festlegung auf ein iFOBT­ba­
siertes Screening ist ein solcher, al­
lerdings sehr wesentlicher Schritt,
da er Auswirkungen auf die weitere
Ausgestaltung hat. Weitere Teilbe­
schlüsse, bei denen es dann bei­
spielsweise um das Einladungsver­
fahren, qualitätssichernde Maßnah­
men und eine neue Versichertenin­
formation über den Nutzen und die
Risiken der Screening­Teilnahme
geht, sind zum Ende dieses Jahres
geplant“, wird Dr. Harald Deisler,
unparteiisches Mitglied im GBA in
der Mitteilung des GBA zitiert.
Im aktuellen Beschluss zur
Änderung der Krebsfrüherken­
nungs­Richtlinie seien zudem die
Details geregelt worden, die mit der
Durchführung des neuen Testver­
fahrens zusammenhängen, teilt der
GBA mit. Die Anpassungen beträ­
fen unter anderem die Kriterien,
die die quantitativen immunologi­
schen Tests erfüllen müssen, den
Kreis der teilnehmenden Ärzte, die
Auswertung der Tests und die Do­
kumentation. Der Beschluss werde
dem Bundesministerium für Ge­
sundheit zur Prüfung vorgelegt und
trete nach Nichtbeanstandung und
Bekanntmachung im Bundesanzei­
ger in weiten Teilen am 1. Oktober
2016 in Kraft.
Der GBA­Beschluss steht im
Zusammenhang mit dem Auftrag
an den GBA, die bisher in der
Krebsfrüherkennungs­Richtlinie
festgelegten Maßnahmen zur
Darmkrebs­Früherkennung bis
zum 30. April 2016 konzeptionell
zu einem organisierten und quali­
tätsgesichertem Screeningpro­
gramm weiterzuentwickeln.
(eb)
GBA: Neuer Test
fürs Screening
auf Darmkrebs
Der GBA hat beschlos­
sen: Darmkrebs­Scree­
ning wird auf neuem
Testverfahren basieren.
PRÄVENTION
Die Koloskopie ist bekannterweise die
Methode der Wahl, um Neubildungen
der Kolonschleimhaut zu entdecken
und zu behandeln. Die Polypektomie
reduziert die Mortalität des kolorekta­
len Karzinoms um 50 Prozent. Die
Mortalität des linksseitigen Kolonkar­
zinoms kann effektiv gemindert wer­
den, nicht aber die des rechtsseitigen
Kolons. Die Polypen im rechtsseitigen
Kolon sind oft flach und klein und
können deshalb leicht übersehen wer­
den. Sie liegen auf der Rückseite von
Haustren oder auf der Innenseite der
rechten Kolonflexur, Bereiche, die en­
doskopisch schwer einsehbar sind.
Inversion versus zweiter Blick
Seit vielen Jahren ist bekannt, dass die
Inversion des Geräts im Colon ascen­
dens die Rate von detektierten Poly­
pen um ungefähr 10 Prozent erhöht.
Die größte Studie dazu wurde mit cir­
ca 200 Patienten 2011 durchgeführt
(Gastrointest Endosc 2011; 74: 246­
252). Aus Tandem­Untersuchungen
ist bekannt, dass eine zweite
Koloskopie in der Lage ist, die Detek­
tionsrate von Adenomen um bis zu 27
Prozent zu erhöhen.
In der vorliegenden Studie vergli­
chen die Autoren die beiden Metho­
den Inversion und zweiter Blick direkt
miteinander, um bei einer statistisch
ausreichenden Zahl von Patienten die
Frage zu beantworten, welche der bei­
den Methoden die höhere Adenomde­
tektionsrate (ADR) hat (Am J Gastro­
enterol 2015; 110: 415­422).
Es wurden 934 Patienten unter­
sucht, die sich ambulant in zwei ame­
rikanischen Universitätskliniken zu
Vorsorgekoloskopien oder zu Kontroll­
koloskopien nach Polypektomie vor­
stellten. 850 Patienten konnten rando­
misiert werden, bei denen die Darm­
reinigung adäquat war. Alle eventuell
vorkommenden Polypen wurden ent­
fernt. Das Instrument wurde bis zur
rechten Kolonflexur zurückgezogen.
Danach erfolgte je nach Studiengrup­
pe eine erneute Inspektion des rechts­
seitigen Kolons in konventioneller
Weise oder die Inspektion des rechts­
seitigen Kolons aus der Inversionspo­
sition. Die Inversion des Koloskops im
proximalen Kolon war bei 421 von
450 Patienten technisch möglich. Bei
29 Patienten war dies wegen Schlin­
genbildung oder verminderter Kolon­
mobilität nicht möglich.
Bei der ersten Evaluation des
rechtsseitigen Kolons wurden durch­
schnittlich 0,38 Adenome pro Patient
gefunden. Die zweite Untersuchung
des proximalen Kolons ergab in bei­
den Gruppen die gleiche Zahl von zu­
sätzlich gefundenen Adenomen: 0,09
in der Inversionsgruppe und 0,12 bei
Patienten, die konventionell prograd
ein zweites Mal untersucht wurden.
Kleine Polypen oft übersehen
Aus den Daten lässt sich errechnen,
dass 20 bis 27 Prozent der kleinen
Polypen bei der ersten Untersuchung
des rechtsseitigen Kolons übersehen
wurden. Die Polypen hatten einen
durchschnittlichen Durchmesser von 5
mm, alle bei der ersten Untersuchung
übersehenen Polypen waren
,
10 mm.
Bei den konventionell untersuchten
Patienten wurden zehn kleine Polypen
mehr entdeckt als mit der Inversion,
was statistisch nicht signifikant ist. Der
Unterschied ist möglicherweise zu­
rückzuführen auf eine um 0,5 Minu­
ten längere Untersuchungszeit. Histo­
logisch handelte es sich in beiden
Gruppen in 10 bis 15 Prozent um
Adenome. Die Analyse der unabhängi­
gen Variablen, die mit dem Übersehen
von Polypen im rechtsseitigen Kolon
einhergingen, waren neben dem Le­
bensalter des Patienten die Zahl der
vorhandenen Polypen und ein geringes
Vertrauen des Endoskopikers in sein
Ergebnis.
„Die Studie bestätigt, dass die
Übersehensrate von Polypen im
rechtsseitigen Kolon hoch ist“, kom­
mentiert Professor Reinhard Büchsel,
Evangelisches Krankenhaus Hubertus,
Berlin, die Studiendaten auf
Ein zweiter
Blick sei erforderlich. Die Inversion im
rechtsseitigen Kolon sei zwar bei fast
allen Patienten möglich, bringe jedoch
keinen Vorteil gegenüber einer zweiten
prograden Untersuchung, so Büchsel.
Der zeitliche Aufwand für eine gründ­
liche Zweituntersuchung sei offenbar
entscheidend. Alle Bemühungen, die
optische Qualität der Untersuchung
des rechtsseitigen Kolons zu verbes­
sern, seien lohnend. Büchsel: „Am
aussichtsreichsten scheint die Ent­
wicklung von Endoskopen mit einer
330°­Weitwinkeloptik im Vergleich zur
170°­Standardoptik zu sein. Aktuelle
Daten zeigen eine Verbesserung der
globalen Adenomdetektionsrate von
bis zu 43 Prozent (Lancet Oncol 2014;
15: 353­360)“.
(eb)
Zweiter Blick entdeckt mehr
Adenome im proximalen Kolon
Bei der Vorsorgekoloskopie
wird gut ein Viertel der
Adenome im rechten Kolon
übersehen. Die Detektions­
rate lässt sich durch erneu­
te Inspektion verbessern;
eine Inversion des Kolo­
skops bringt keinen Vorteil.
Polypen unter 10 mm Durchmesser werden bei der Koloskopie des rechtsseitigen Kolons häufig übersehen.
© HANNES MAGERSTAEDT/FELIX BURDA STIFTUNG
Der zeitliche
Aufwand für eine
gründliche Zweitun­
tersuchung ist
offenbar
entscheidend.
Professor Reinhard Büchsel
Evangelisches Krankenhaus
Hubertus, Berlin
In den vergangenen Jahren hat sich die
Adenom­Detektionsrate (ADR) zu
einem Qualitätskriterium der Kolosko­
pie entwickelt. Aber gilt, je höher um­
so besser? Und besteht bei einer nied­
rigen ADR tatsächlich eine erhöhte
Gefahr für ein Intervallkarzinom? An­
hand der Daten von 4,4 Millionen
Screening­Koloskopien, die zwischen
2003 und 2012 im Rahmen des deut­
schen Früherkennungsprogramms
vorgenommen wurden, errechnete
man den Zeittrend der alters­ und ge­
schlechtsspezifischen ADR für jedes
Kalenderjahr jeweils für fortgeschritte­
ne und nicht fortgeschrittene Adeno­
me (Gastroenterology 2015; 149:
354­366).
Im Lauf der Jahre beobachtete man
eine ausgeprägte und stetige Zunahme
der ADR nicht fortgeschrittener Ade­
nome bei beiden Geschlechtern und in
allen Altersgruppen. Die altersadjus­
tierte ADR nicht fortgeschrittener
Adenome stieg von 13,3 auf 22,3 Pro­
zent bei Männern und von 8,4 auf
14,9 Prozent bei Frauen zu. Die Zu­
nahme bezog sich überwiegend auf
Adenome unter 0,5 cm Größe, wäh­
rend die ADR fortgeschrittener Ade­
nome und kolorektaler Karzinome nur
von 7,4 auf 9 Prozent bei Männern
und von 4,4 auf 5,2 Prozent bei Frau­
en stieg. Im Jahr 2012 hatte die Ge­
samt­ADR bei Männern 31,3 Prozent
und bei Frauen 20,1 Prozent erreicht.
Die Zunahme des Anstiegs der
ADR zwischen 2009 und 2012 könnte
zum Teil durch eine Art von Innovati­
onseffekt bedingt sein, da jüngere
Endoskopiker eher modernere Geräte
verwenden und vielleicht auch aufge­
schlossener sind für die Gedanken der
Qualitätssicherung. Die Zunahme der
Sedierungsraten hatte keinen Einfluss
auf die ADR. Auch ging die Steige­
rung der ADR nicht auf Kosten der
Komplikationsrate der Koloskopie,
etwa Blutungen oder Perforationen.
Die sorgfältige Aufarbeitung der
hier gesammelten Datenfülle zeige,
dass die Screening­Koloskopie über
ihren zweifellos belegten Wert für die
Karzinomfrüherkennung hinaus
durchaus einige Probleme aufwirft,
kommentiert Professor H. S. Füeßl,
Privatpraxis für Integrative Innere
Medizin, München, die Studiendaten
auf
Dazu
gehöre die Überbewertung der auf
den ersten Blick so plakativen ADR.
Bei der Mehrzahl der unter 5 mm
großen hyperplastischen Polypen sei
zwar das Kriterium eines Adenoms er­
füllt und sie gehen in die Statistik der
ADR ein; allerdings hätten sich
die meisten dieser Polypen wahr­
scheinlich nie zu einem fortgeschritte­
nen Adenom bzw. Karzinom entwi­
ckelt.
(eb)
Die Adenom­Detektionsrate
ist im Zuge des Darm­
krebs­Screenings gestiegen.
Diese Zunahme bezieht
sich aber auf überwiegend
harmlose Polypen.
Adenom­Detektionsrennen: Nutzt es den Patienten?
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Juni 2016
BDI aktuell
Medizin
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