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Die menschliche Embryonalentwick­
lung ist noch längst nicht komplett
verstanden, etwa zum Zeitpunkt der
Einnistung in die Gebärmutter. Bisher
war es wegen technischer Probleme
nicht möglich, Embryonen im Früh­
stadium in der Kulturschale länger als
neun Tage am Leben zu erhalten.
Meist waren es maximal nur sieben
Tage, also bis zum Zeitpunkt, an dem
in vivo die Einnistung der befruchte­
ten Eizelle in den Uterus erfolgt.
Wie eine solche Entwicklung im
Frühstadium abläuft, hatten Professor
Magdalena Zernicka­Goetz von der
Universität von Cambridge und Kolle­
gen in Großbritannien und den USA
bereits in Experimenten mit Embryo­
nen von Affen und Mäusen beobach­
ten können. Unklar war, ob die Mor­
phogenese nach der Implantation auch
mit humanen Embryonen in der Petri­
schale nachgebildet werden kann. Die
Kulturmethoden, die die Forscher für
Mausembryonen entwickelt und bei
diesen erfolgreich erprobt hatten, pass­
ten sie deshalb zur Anwendung in Ex­
perimenten mit befruchteten mensch­
lichen Eizellen an (Nat Cell Biol 2016;
online 4. Mai und Nature 2016; online
4. Mai).
Gespendete Embryonen verwendet
Für ihre Versuche verwendeten die
Wissenschaftler zu Forschungszwe­
cken gespendete menschliche Embry­
onen, die nach einer In­vitro­Fertilisa­
tion und im Alter von fünf oder sechs
Tagen als Blastozysten tiefgefroren
worden waren. Nach dem Auftauen
wurde die äußere Hülle der Embryo­
nen entfernt. Unter natürlichen Bedin­
gungen entledigen sich die Embryo­
nen beim „Schlüpfen“ der Zona pellu­
cida. Unter standardisierten Bedin­
gungen ließen die Forscher die Emb­
ryonen sich anschließend in einem
speziellen Nährmedium in besonderen
Kulturschalen für Zellzüchtung entwi­
ckeln. Anhand biochemischer Marker
wie OCT4 und F­actin verfolgten Zer­
nicka­Goetz und ihre Kollegen
schließlich Schritt für Schritt die frühe
Embryonalentwicklung bis zum 10. bis
13. Tag nach der Befruchtung, spätes­
tens zum 14. Tag in Übereinstimmung
mit internationalen bioethischen Leit­
linien und dem britischen Gesetz. Am
elften Tag besteht der Epiblast, aus
dem sich letztlich der Fetus entwickelt,
dann aus durchschnittlich 328 Zellen.
Aus den Ergebnissen der Experi­
mente wird deutlich, dass die Embryo­
nalentwicklung beim Menschen an­
ders verläuft als etwa bei Affen und
Mäusen, sodass die Beobachtungen in
den bisherigen Modellsystemen bei
Tieren keine Schlussfolgerungen für
die menschliche Entwicklung zulassen.
Wie die Forscher berichten, entdeck­
ten sie unter anderem eine Fähigkeit
zur Selbstorganisation der Embryonal­
zellen, die offenbar unabhängig von
Faktoren sind, die normalerweise in
der Gebärmutter den Fortgang der
Embryonalentwicklung beeinflussen:
Die Embryonen entwickelten sich in
der Kulturschale, nachdem sie sich am
Schalenboden angeheftet hatten völlig
normal, auch ohne mütterliche Fakto­
ren, zumindest bis zum 12. Tag nach
der Befruchtung.
US­Forscher fordern umdenken
Angesichts der erfolgreichen In­vitro­
Entwicklung menschlicher Embryo­
nen bis zum 14. Tag plädieren US­
Forscher dafür, die 14­Tage­Regel zu
überdenken, zumal ein Grund für die­
se Regel ja wegfalle (Nature 2016;
533: 169). Denn auch aus rein techni­
schen Hindernissen in der In­vitro­
Entwicklung war die Grenze gesetzt
worden – länger als eine knappe Wo­
che war nicht drin. Ein anderer Grund
lässt sich aber nicht so einfach wegwi­
schen: 14 Tage nach der Befruchtung
wird der Primitivstreifen sichtbar, ein
Zeichen für Individuation, es kann
kein Zwilling mehr entstehen. Auf­
grund der Erkenntnisse, die nun in­
nerhalb der ersten beiden Lebens­
wochen in vitro gewonnen werden
können, erhoffen sich die Forscher
Möglichkeiten für bessere Strategien
gegen Infertilität. In Deutschland sind
solche Versuche nicht möglich. Das
Embryonenschutzgesetz verbietet dies
im § 2 „Missbräuchliche Verwendung
menschlicher Embryonen“.
Britische Forscher haben
erstmals die Entwicklung
menschlicher Embryonen
in der Petrischale bis zum
14. Lebenstag verfolgt. Mit
den Erkenntnissen wollen
die Wissenschaftler auch
bessere Strategien gegen
Infertilität entwickeln.
Embryonenforschung wird ausgedehnt
Von Peter Leiner
Blastozyste in der frühen Embryonalentwicklung.
© OLIBU / FOTOLIA.COM
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Juni 2016
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