Aktuell
Nr. 2 • Februar 2012
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Auch im Jahr 2012 bleibt das
deutsche Gesundheitswesen eine
Dauerbaustelle. Beim GKV-Ver-
sorgungsstrukturgesetz bestehen
mehr Fragen als Antworten, und
es bleibt nur die Hoffnung, dass
die Akteure das Gesetz mit Leben
erfüllen werden. Wie bei
begrenzten Ressourcen die Quali-
tät der Versorgung verbessert
und oder nur gesichert werden
kann, bleibt eine offene Frage.
Die Gewinner im Jahre 2011 sind
eindeutig die Krankenkassen, die
durch das GKV-Finanzierungsge-
setz, andere Sparmaßnahmen
und ein erhöhtes Beitragsauf-
kommen ein sattes Plus erwirt-
schaftet haben, sich aber bei
angedachten Maßnahmen zur
Strukturverbesserung, wie z.B.
der ambulanten spezialärztlichen
Versorgung und der Bekämpfung des
Ärztemangels, quergestellt haben. So
sind die Anreize für junge Mediziner,
sich in ländlichen Gebieten oder in
den neuen Bundesländern niederzu-
lassen, viel zu gering. Die Abschaf-
fung von Mengenabstaffelungen und
Residenzpflicht reichen nicht; es
wird millionenschwerer Förderungs-
programme für den ärztlichen Nach-
wuchs bedürfen, wenn sich in diesen
Regionen mehr Ärzte niederlassen
sollen. Darüber hinaus werden Poli-
tik und Selbstverwaltung Vorschläge
vor allem zur ärztlichen Struktur in
unterversorgten Gebieten erarbeiten
müssen, die unseren jüngeren Kolle-
ginnen und Kollegen wieder eine
bessere berufliche Perspektive bie-
ten.
2012 wird aber auch die vertrags-
ärztliche Selbstverwaltung extrem
gefordert werden. Dem stark emotio-
nal begründeten Wunsch nach mehr
Regionalisierung wurde Rechnung
getragen. Die Honorarverhandlungen
mit den Krankenkassen und die Ver-
teilung des Honorars unter den Ver-
tragsärzten sowie die Neuordnung
der Bedarfsplanung sind Themen, die
die Landes-KVen vielerorts auf eine
harte Zerreißprobe stellen werden.
Insbesondere die Änderung der
Bedarfsplanung wird für uns Inter-
nisten von existenzieller Bedeutung
sein.
Weitere wichtige Hausaufgaben der
Regierungskoalition betreffen die
Pflegereform, die jetzt in zwei Geset-
ze aufgespaltet werden soll; ein
Präsident
Dr. med. Wolfgang Wesiack,
Hamburg
übergreifendes Strategiekonzept
bei der Prävention und das Patien-
tenrechtegesetz. Die Parteien von
CDU, CSU und FDP hatten sich im
Koalitionsvertrag vor zwei Jahren
viel vorgenommen; nicht nur
wegen der Finanz- und Wirtschaft-
krise ist die Gesundheitspolitik
mehr und mehr in den Hinter-
Editorial
grund gedrängt worden. Politi-
scher Gestaltungswille und die
Kraft zur Umsetzung scheinen in
dieser Regierung nur noch
begrenzt vorhanden zu sein.
Der Berufsverband Deutscher
Internisten, Ihr BDI e.V., wird sich
auch 2012 bei Politik, Kranken-
häusern, den Kassen, der KBV, den
regionalen KVen und den Medien
aktiv mitgestaltend einbringen,
und so die Interessen aller Inter-
nisten bei ihrer Arbeit zum Wohle
unserer Patientinnen und Patien-
ten wirksam zu vertreten.
Helfen Sie uns, indem Sie uns
dabei unterstützen!
Dr. med. Wolfgang Wesiack
Präsident BDI e.V.
Die Mitglieder der Selbstverwaltung,
angefangen von den Krankenkassen bis
hin zu den KVen, waren an der Befra-
gung nicht beteiligt. Bei erster Durch-
sicht der vorliegenden Ergebnisse ist
eine kritische Würdigung angebracht.
So sollen die Krankenhausärzte den
Aufwand für die Arztbriefe mit in die
Bürokratie einbezogen haben. Sie
haben dabei offensichtlich übersehen,
dass es sich hier nicht um eine Verwal-
tungstätigkeit, sondern um eine origi-
näre ärztliche Aufgabe handelt. Man
darf gespannt sein, ob es darüber
hinaus noch mehr Kritikpunkte an der
Methodik gibt. Prof. Klaus Jacobs, der
Geschäftsführer des Wissenschaftlichen
Institut der AOK (WIdO), hat deshalb
bereits angemerkt, dass die präsentier-
ten Zahlen aus seiner Sicht fragwürdig
sind.
Zu viel Bürokratie?
Die Studie kommt zu sehr detaillierten
Ergebnissen. Sie spricht von 40,4 Mrd.
Euro Verwaltungskosten im deutschen
Gesundheitswesen im Jahre 2010. Dies
macht 23 % der Beiträge der Kranken-
versicherten aus. Verglichen wird diese
Zahl mit den Verwaltungskosten der
Industrie, die angeblich nur bei 6,1 %
liegen. Alleine die gesetzliche Kranken-
versicherung wird für 27,5 Mrd. Euro
bei einem Beitragsvolumen von 126
Mrd. Euro verantwortlich gemacht.
Dies macht einen Verwaltungskosten-
anteil von 15,6 % aus, der weit über
den offiziellen Angaben von 5,4 % liegt.
Kostentreiber soll insbesondere die
überbordene Dokumentation und Ver-
waltung sein. Als Verursacher sieht
man vorwiegend die GKV, aber auch
die Organe der Selbstverwaltung.
In der Konsequenz werden vor allem
die Krankenkassen aufs Korn genom-
men. 95 % der Versicherten seien bei
49 Krankenkassen eingeschrieben, bei
106 Kassenversicherungen aber nur
etwa 5 %. Die Zahl der Krankenkassen
sei viel zu hoch und man fordert eine
weitere Konzentration der Kassen.
Selbstkritisch wird angemerkt, dass im
Interesse des Wettbewerbes eine aus-
reichende Anzahl von Krankenkassen
erforderlich ist, ohne dass man eine
genaue Zahl nennt. Auch die Selbstver-
waltungsorgane werden in der Studie
zu einer Konzentration ihrer Verwal-
tungstätigkeit ermahnt.
Demgegenüber ist man mit der derzei-
tigen Struktur der Leistungserbringer
weitgehend zufrieden. Die Diversifizie-
rung sei wegen einer flächendecken-
den Versorgung unerlässlich.
Heftige Reaktionen
Abgesehen von der bereits angespro-
chenen methodischen Diskussion hat,
die Studie zu teils heftigen Reaktionen
der Betroffenen geführt. Das WIdO-
Institut sieht selbstverständlich bei den
Krankenkassen nur geringe Potenziale
für einen Bürokratieabbau. Defizite
werden überwiegend bei der Selbstver-
waltung gesehen, auch wenn man an
dieser selbst beteiligt ist. Ein Teil der
Bürokratie sei auch Folge von Organisa-
tionsdefiziten in den Krankenhäusern
und den Arztpraxen. Hier sieht das
WIdO-Institut den größten Handlungs-
bedarf.
Die KV wehrt sich gegen den Vorwurf
der Bürokratisierung und Ineffizienz
der Selbstverwaltung und verteidigt in
einer Pressemitteilung das System. Die
Leistungserbringer mit ihren Organisa-
tionen begrüßen den Ansatz der Studie
und sehen ihrerseits die Defizite über-
wiegend bei den Kostenträgern.
Die Reaktion der Betroffenen lässt sich
leicht zusammenfassen: Alle sind mit
den Autoren der Studie der Meinung,
dass in unserem Gesundheitswesen zu
hohe Verwaltungs- und Bürokratiekos-
ten entstehen, auch wenn man die
genauen Zahlen bezweifelt, die in der
Studie ermittelt wurden. Gleichzeitig
sieht man die Fehler beim jeweils
anderen – das Sankt-Florians-Prinzip
hat Einzug gehalten.
Neben den Krankenkassen als Kosten-
träger sind mit Sicherheit auch die
Selbstverwaltungen mitverantwortlich.
Viele von den Kostenträgern ausgear-
beitete Vorgaben werden durch zusätz-
liche Vorschriften nochmals getoppt.
Man braucht nur an den Aufwand zu
denken, der durch die überzogene Vor-
gabe mit Arzt- und Betriebsstätten-
nummern entstanden ist. Während im
stationären Bereich der Dokumentati-
onsaufwand mehr als überzogen
erscheint, wird im ambulanten Bereich
so wenig dokumentiert, dass man Pro-
bleme mit der Transparenz des Leis-
tungsgeschehens hat.
Es stellt sich die grundsätzliche Frage,
wer dieses System zu verantworten
hat, das so viel bürokratischen Auf-
wand verursacht. Der Gesetzgeber kann
sich hier nicht aus der Verantwortung
stehlen. Er hat der gesetzlichen Kran-
kenversicherung ein Sachleistungsprin-
zip verordnet und treibt gleichzeitig
eine Kostendämpfungspolitik bei stei-
gendem Leistungsbedarf der Bevölke-
rung. Wenn man die Kosten in der Ver-
sorgung an die Einnahmen bindet und
die Leistungen dem medizinischen
Fortschritt überlässt, werden immer
mehr gesetzliche Eingriffe nötig. Dass
dies auf die Verwaltung aller Beteilig-
ten im Gesundheitswesen, angefangen
von den Krankenkassen über die KVen
bis hin zu den Leistungserbringern,
Folgen haben muss, ist mehr als selbst-
verständlich.
Die Kritik, die von der Kearney-Studie
ausgelöst wurde, sollte deshalb an die
verantwortlichen Gesundheitspolitiker
weitergereicht werden. Die haben die
Konsequenzen zu ziehen.
HFS
A.T. Kearney-Studie
(
Fortsetzung von Seite 1)
Wer hat Schuld an der
Bürokratie der GKV?
zur Ordentlichen Mitgliederversammlung
des Berufsverbandes Deutscher Internisten e.V.
am Samstag, 14. April 2012, 10.00 Uhr,
Rhein-Main-Hallen, Saal 12B
Rheinstraße 20, 65185 Wiesbaden
Als Präsident des Berufsverbandes Deutscher Internisten e.V.
darf ich Sie sehr herzlich zu dieser Versammlung einladen.
Dr. med. Wolfgang Wesiack, Präsident
Einladung
Tagesordnung:
1. Ehrungen
2. Bericht des Präsidenten zur aktuellen berufspolitischen Situation
3. Berichte des Geschäftsführers zum Geschäftsjahr 2011 und des Schatzmeisters
(Kassenbericht)
4. Beschlussfassung über die Entlastung von Präsidium, Vorstand und Geschäftsführung
5. Verschiedenes
Im Anschluss ab ca. 13.30 Uhr: Delegiertenversammlung
Tagesordnung:
1. Erläuterung des Wahlverfahrens
2. Neuwahl des Vorstandes