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Altersmedizin

Der demografische Wandel stellt die medizinische und pflegerische Versorgung älterer Menschen vor große Herausforderungen. Um die Lebensqualität und Autonomie im Alter zu sichern, muss die Altersmedizin stärker in den Fokus gesundheitspolitischer Entscheidungen rücken. Dafür braucht es auch eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über die Herausforderungen des Alterns. Hierbei kommt Internistinnen und Internisten eine zentrale Rolle zu.

Zwischen Selbstbestimmung und medizinischen Möglichkeiten

Deutschland steht vor einer Herausforderung: Der Anteil der älteren Bevölkerung wird immer größer. Damit steigt auch der medizinische Versorgungs- und Pflegebedarf erheblich. Die Innere Medizin hat wie kein anderes Fachgebiet eine ganzheitliche Sicht auf die ambulante und stationäre Patientenversorgung und den Anspruch, eine Synthese aus Spitzenmedizin und Menschlichkeit zu finden. Internistinnen und Internisten allgemein und Geriaterinnen und Geriater im Besonderen sind Eckpfeiler in der Versorgung älterer und gebrechlicher Menschen.

Altersmedizin (Geriatrie) nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Sie muss den besonderen Bedürfnissen älterer Menschen gerecht werden, die oft an mehreren chronischen Erkrankungen leiden und ein hohes Risiko für Pflegebedürftigkeit haben. In dieser Lebensphase stehen Lebensqualität, Autonomie und individuelle Wünsche im Vordergrund. Der BDI sieht es als seine Pflicht an, in der gesundheitspolitischen Debatte die Weichen für eine würdevolle und zukunftsorientierte Versorgung älterer Menschen zu stellen.

Unsere Forderungen im Detail


Um den demographischen Wandel erfolgreich zu meistern und sicherzustellen, dass ältere Menschen in unserer Gesellschaft auch in Zukunft gut versorgt sind, fordert der BDI:

1. Offenheit

Die steigende Lebenserwartung führt zu einer wachsenden Zahl älterer Menschen mit komplexen gesundheitlichen Bedürfnissen. Da das versorgende Gesundheitspersonal gleichzeitig altert und in den Ruhestand tritt, steuert das Gesundheitswesen auf eine Krise zu. Die Herausforderung besteht nicht nur in der Sicherstellung einer hochwertigen medizinischen Versorgung, sondern auch in der Wahrung der Lebensqualität und Autonomie im Alter.

Dies erfordert eine offene Auseinandersetzung über den Umgang mit den Herausforderungen des Alterns. Ziel einer breit angelegten gesellschaftlichen Debatte muss es sein, tragfähige Lösungen zu finden, die sowohl den individuellen Bedürfnissen als auch den gesamtgesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Internistinnen und Internisten sollten Teil dieses Prozesses sein.

Der BDI fordert den Deutschen Bundestag auf, eine Enquete-Kommission für eine offene gesellschaftliche Diskussion über die Herausforderungen des demographischen Wandels einzusetzen.

2. Ganzheitlichkeit

Die Versorgung älterer Menschen erfordert spezielles Fachwissen der behandelnden Ärztinnen und Ärzte und des medizinischen Personals. Um Pflegebedürftigkeit konsequent zu vermeiden bzw. zu reduzieren, muss der Fokus auf dem Erhalt der Funktionalität und Selbsthilfefähigkeit der Patienten liegen.

Hier bedarf es nicht nur einer stärkeren Betonung geriatrischer Inhalte in der internistischen Basisweiterbildung; es braucht parallel auch – unter Beibehaltung der bestehenden Zusatz-Weiterbildung – eine echte Schwerpunktbildung im Gebiet Innere Medizin. Nur so kann eine umfassende Versorgung gewährleistet werden, die den Bedürfnissen dieser Patientengruppe gerecht wird.

Der BDI fordert eine stärkere Integration geriatrischer Inhalte in die internistische Basisweiterbildung. Das Ziel bleibt die Etablierung eines Schwerpunktes Geriatrie im Gebiet Innere Medizin unter Beibehaltung der Zusatz-Weiterbildung.

3. Autonomie

Patientenautonomie ist ein zentrales Prinzip der medizinischen Ethik. Insbesondere bei älteren Menschen muss die Achtung der Autonomie und individuellen Wünsche im Mittelpunkt stehen, auch wenn dies in bestimmten Fällen zu einer Abkehr von einer – rein klinisch betrachtet – optimalen medizinischen Versorgung führt.

Derzeit zielt die Versorgung älterer und pflegebedürftiger Patienten vor allem auf die Versorgungssicherheit ab, die oft mit einer institutionellen Versorgung assoziiert wird. Präventive Ansätze, etwa bei der Sturzprävention, werden kaum genutzt. Der BDI fordert, das Gesundheitssystem verstärkt auf die Wünsche und Präferenzen der Patienten auszurichten. Dies bedeutet, dass medizinische Entscheidungen nicht nur anhand klinischer Kriterien getroffen werden, sondern auch die individuellen Lebensumstände und vorhandenen Ressourcen der älteren Menschen einbezogen werden müssen.

Der BDI fordert, den Fokus verstärkt auf die Patientenautonomie und -wünsche zu legen und Prävention auch im höheren Alter zu fördern.

4. Patientenwunsch

In einer Zeit, in der medizinische Möglichkeiten fast grenzenlos erscheinen, werden Patientenverfügungen immer wichtiger. Sie ermöglichen es Menschen, ihre Wünsche und Vorstellungen für den Fall zu formulieren, dass sie selbst nicht mehr in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen. Oftmals läuft die medizinische

Behandlung an den Vorstellungen der Patienten vorbei, da diese nicht rechtzeitig definiert wurden oder die aktuelle Situation nicht beinhalten.

Der BDI fordert, dass diese Patientenverfügungen nicht nur vorhanden, sondern auch im Rahmen der elektronischen Patientenakte (ePA) und des Notfalldatensatzes standardisiert und leicht zugänglich gemacht werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Wünsche der Patienten in der Versorgungspraxis, insbesondere im Notfall, auch tatsächlich berücksichtigt werden. Eine standardisierte und modulare Patientenverfügung ermöglicht eine individuell abgestimmte Versorgung und fördert die Selbstbestimmung der Patienten.

Der BDI fordert eine standardisierte und modulare Patientenverfügung im Rahmen der ePA / des Notfalldatensatzes zur Verfügung zu stellen.

5. Sterben

Alter ist der hauptsächliche Risikofaktor für Tod. Damit sind Themen wie Sterben, Palliation und Lebensende eng mit der Altersmedizin verknüpft. Obwohl der Umgang mit Sterbewünschen und der palliativmedizinischen Versorgung von zentraler Bedeutung für die Würde und Autonomie älterer Menschen ist, wird das Lebensende in unserer Gesellschaft oft tabuisiert.

Menschen, die im höheren Lebensalter und in palliativer Situation Ihrem Leben ein Ende setzen möchten, sollten alle Möglichkeiten einer palliativen Therapie erhalten, sofern depressive Störungen ausgeschlossen wurden. Ebenso sollte in solchen Situationen der freiwillige Verzicht auf Essen und Trinken professionell und symptomatisch medizinisch begleitet werden, wobei Aufklärungsgespräche über die Optionen und Verläufe mit den Betroffenen und ihren Bezugspersonen entscheidend sind. Das leitende Behandlungsprinzip in dieser Phase muss die Frage sein, was für den Patienten am wichtigsten ist oder war. Ein solches, wertschätzendes medizinisches Vorgehen kann die aktive (und passive) Sterbehilfe, die der BDI ablehnt, überflüssig machen.

Der BDI fordert eine öffentliche Diskussion über den Umgang mit Sterbewünschen im Alter. Menschen im höheren Lebensalter und in palliativer Situation sollten alle Möglichkeiten einer palliativen Therapie erhalten.