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Wissen, was gesund macht

© Neumann-Grutzeck

Wie lange geht das noch gut? Die gesetzlichen Krankenversicherungen erwarten auch im kommenden Jahr wieder ein Defizit. Finanzminister Christian Lindner hat jüngst klar gemacht, dass mit Steuerzuschüssen nicht zu rechnen ist. Dennoch hält der Gesundheitsminister an seinem Credo fest, dass es mit ihm keine Leistungskürzungen geben wird. Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Im kommenden Jahr drohen die GKV-Beiträge erneut zu steigen.

Nun kann man zwar das politische Kalkül, nicht der Überbringer schlechter Nachrichten sein zu wollen, verstehen. Es ist auch grundsätzlich richtig, diejenigen Strukturen und Akteure gut finanziell auszustatten, die tagtäglich die Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherstellen. Dafür werben wir als BDI unentwegt. Für die Beitragszahler, als auch für das vor riesigen Strukturreformen stehende Gesundheitswesen selbst ist es aber fatal, wenn die Mittel nicht dort ankommen, wo gute Versorgung stattfindet, oder die Ressourcen und Kapazitäten nicht mit Bedacht in Anspruch genommen werden.

Es ist daher unerlässlich und letztendlich im Interesse aller Beteiligten im Rahmen eines solidarisch finanzierten Gesundheitssystems, den investierten finanziellen Mitteln ein Optimum an Gesundheit bzw. Patientenwohl gegenüberzustellen. Dazu gehören ganz wesentlich, neben der Patientensteuerung die Bereiche Gesundheitskompetenz und Prävention. Das hat auch der Deutsche Ärztetag zuletzt noch einmal deutlich gemacht und gefordert.

Die moderne Medizin hat enorme Fortschritte gemacht. Unser solidarisches Gesundheitssystem bietet eine breite Palette von Behandlungsmöglichkeiten an. Doch alle medizinischen Innovationen und Errungenschaften können nicht ihr volles Potenzial entfalten, wenn Patientinnen und Patienten nicht aktiv an ihrer eigenen Gesundheit mitwirken. Eine umfassende Gesundheitsbildung ist deshalb von großer Bedeutung. Als Ärztinnen und Ärzte sehen wir täglich, wie wichtig es ist, dass Patientinnen und Patienten über eine solide Gesundheitsbildung verfügen. Sie spielt nicht nur eine entscheidende Rolle bei der Förderung eines gesunden Lebensstils. Patienten sollten verstehen, wie ihr Körper funktioniert, welche Risikofaktoren es gibt und wie sie präventive Maßnahmen ergreifen können, um vielen chronischen Krankheiten vorzubeugen.

Gesundheitskompetenz befähigt die Menschen aber auch, informierte Entscheidungen über ihre Behandlungsmöglichkeiten zu treffen und aktiv an ihrem Genesungsprozess mitzuwirken, indem sie die vorhandenen Ressourcen effektiver nutzen. Wir sehen täglich in den Notaufnahmen und in den Praxen, dass viele Menschen mit der Fülle von Informationen und Optionen überfordert sind. Durch eine fundierte Gesundheitsbildung können sie lernen, diese Informationen zu filtern und relevante Entscheidungen zu treffen, die nicht nur auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind, sondern unser System auch nicht über Gebühr belasten.

Die Integration von Gesundheitsbildung in das Gesundheitssystem erfordert eine gemeinsame Anstrengung aller Akteure: Ärzte, Pflegepersonal, Patientenorganisationen, Bildungseinrichtungen (Kindergärten und Schulen) und der Politik. Ein Nationaler Präventionsplan, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Eine umfassende Gesundheitsbildung muss dazu beitragen, die Menschen besser auf ihre Rolle im Gesundheitswesen vorzubereiten und die Leistungen zielgerichteter in Anspruch zu nehmen. Anders können auch wir uns unseren hohen Standard sonst nicht mehr lange leisten. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam dafür sorgen, dass Gesundheitsbildung und Prävention einen höheren Stellenwert erhalten.

Ihre 

Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin

Erschienen in BDIaktuell 07+08/2023