Wie hätte der Patient oder die Patientin entschieden? Die Verantwortung darüber, den mutmaßlichen Willen eines verstorbenen Patienten zu wahren, ist eine anspruchsvolle Aufgabe des ärztlichen Berufs. Die aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Mainz (Beschluss vom 18. Dezember 2024, Az. 4 L 686/24.MZ) hat sich genau mit diesem Umstand beschäftigt.
In dem Verfahren verlangte die Axel Springer-Verlagsgruppe von der Universitätsmedizin Mainz Auskunft darüber, ob bei einem in 2018 verstorbenen Patienten nach der Implantation eines sogenannten „Cardiobands“ weitere medizinische Eingriffe erforderlich waren. Der Patient hatte zu Lebzeiten einer Berichterstattung über die Operation und Nachsorge öffentlich zugestimmt, unter anderem durch die Teilnahme an einer Fernsehdokumentation. Das Gericht entschied, dass die Klinik verpflichtet sei, die Frage der Presse zu beantworten. Dabei stellte es klar, dass der postmortale Geheimnisschutz des Patienten angesichts des hohen öffentlichen Informationsinteresses zurücktreten muss.
Die Rolle des mutmaßlichen Patientenwillens
Ein zentraler Punkt der Entscheidung betrifft den mutmaßlichen Willen des verstorbenen Patienten. Ärzte und Ärztinnen sind verpflichtet, sorgfältig zu prüfen, ob der Patient der Offenlegung bestimmter Informationen zugestimmt hätte. In diesem Fall argumentierte das Gericht, dass der Patient durch seine öffentliche Darstellung zur Operation und Nachuntersuchung konkludent gezeigt habe, dass er mit einer Veröffentlichung einverstanden war.
Das Verwaltungsgericht führte aus, dass Ärzte und Ärztinnen bei ihrer Entscheidung einem, durch Gerichte nur bedingt überprüfbaren, Entscheidungsspielraum unterliegen. Sie müssen den mutmaßlichen Willen des Patienten gewissenhaft ermitteln und abwägen, ob die Geheimhaltung weiterhin im wohlverstandenen Interesse des Verstorbenen liegt. Dabei ist im Zweifel die Schweigepflicht zu wahren, um einen unbefugten Geheimnisbruch zu vermeiden.
Nachvollziehbare Begründung erforderlich
Das Gericht betonte die Bedeutung der Pressefreiheit und das öffentliche Interesse an der Aufarbeitung. Im konkreten Fall überwog das Interesse der Öffentlichkeit, da die Frage zu weiteren Eingriffen objektiv beantwortbar ist und keine herabsetzenden oder verfälschenden Inhalte über den verstorbenen Patienten beinhaltet. Besonders relevant war hier die öffentliche Diskussion über das „Cardioband“, ein mittlerweile vom Markt genommenes Produkt, das mit Komplikationen und Todesfällen in Verbindung gebracht wird.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass Ärzte und Ärztinnen bei Anfragen zur Herausgabe von Patientendaten auch postmortal eine sorgfältige Prüfung durchführen müssen. Eine pauschale Berufung auf die Schweigepflicht genügt nicht. Vielmehr ist eine nachvollziehbare Begründung erforderlich, die konkrete Belange des Verstorbenen berücksichtigt. Ärzte und Ärztinnen sollten sich bei Unsicherheiten rechtlich beraten lassen, insbesondere bei komplexen Fällen, in denen öffentliche Interessen und die postmortale Schweigepflicht miteinander konkurrieren.