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Weiterbildung in Not – Lauterbachs Kahlschlag

Die dritte Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission zur Reform der Krankenhausvergütung ist ein Aufreger und führt zu vielerlei Kontroversen. Unbeachtet blieben bislang die direkten und indirekten Auswirkungen auf die Weiterbildung von Kolleginnen und Kollegen zum Facharzt. Warum ist das aber wichtig? Weil Weiterbildung ein sensibles Geschöpf mit einer feinen Balance zwischen Kompetenzerwerb, Machbarkeit und Finanzierbarkeit ist und die medizinische Versorgung langfristig sichert.

Für den Kompetenzerwerb im Arztberuf braucht es Weiterbilderinnen und Weiterbilder, heute Befugte genannt. Diese tummeln sich in großen und kleinen Kliniken, als Belegärzt:innen, im MVZ und in Einzelpraxen. Die bisherige Weiterbildungsordnung bedient sich aller dieser Einrichtungen. Stationäre und ambulante Weiterbildung sind gleichberechtigt, die Entwicklung hin zu ambulanten Befugungen ist richtig und folgt dem Trend der ambulanten Behandlung. Vermittelt werden Kompetenzen. Weiterbildungszeiten geben nur einen Rahmen vor.

Die Krankenhausreform wird mit der Einführung streng reglementierter Level die positiven Entwicklungen einer kompetenzbasierten Weiterbildung zunichte machen. Dazu einige Beispiele aus den verschiedenen Leveln.

  • Für Level Ii-Krankenhäuser ist gar keine ärztliche Leitung mehr vorgesehen. Pflegefachpersonen können vielleicht einen Gesundheitskiosk leiten, aber sie können sicher nicht weiterbilden und sie können diese Weiterbildung auch nicht verantworten. Ärztliche Arbeit in Kliniken dieses Levels wird damit formal nicht als Kompetenzerwerb im stationären Bereich anerkannt werden können.
     
  • Für verbleibende Ärztinnen und Ärzte in diesem Krankenhausniveau ist eine vollzeitige Anstellung gar nicht vorgesehen. Eine Weiterbildung in Teilzeit und „auf Zuruf“ kann nicht funktionieren und ist keiner Kollegin und keinem Kollegen in Weiterbildung zuzumuten. Nicht umsonst fordern die Ärztekammern einen qualifizierten Kompetenzerwerb.

Leider ist das noch nicht alles, alle vorgesehenen Level werden betroffen sein. Der Level In soll ja einem richtigen kleinen Krankenhaus entsprechen. Das hilft der Weiterbildung von Kolleginnen und Kollegen aber auch nicht weiter.

  • Level In-Krankenhäuser sind auf die „Basisbehandlung“ in der Inneren Medizin und der Chirurgie beschränkt. Schon für angehende Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin wird mindestens ein Jahr Kompetenzerwerb in der akuten stationären Inneren Medizin gefordert. Es bleibt abzuwarten, welche der In-Krankenhäuser überhaupt diese Voraussetzungen erreichen.
     
  • Die Beschränkungen auf Basisbehandlungen in Chirurgie und Innerer Medizin sowie eine Basisnotfallversorgung haben eine fatale Wirkung auf die Weiterbildung. Im besten Fall kann noch die Weiterbildung für Allgemeinmedizin abgebildet werden, wenn ein Jahr „akute stationäre Innere Medizin“ vermittelt werden kann. Das Gebiet Innere Medizin kann nicht mehr vollumfänglich befugt werden, da Schwerpunkte wie Kardiologie, Gastroenterologie u. a. fehlen. Gleiches gilt für die Allgemeinchirurgie. Für diese Weiterbildung fehlen die Kompetenzen für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Visceralchirurgie. Eine volle Weiterbildung für Innere Medizin und Chirurgie ist damit an diesen Häusern nicht mehr möglich, Kolleginnen und Kollegen in Weiterbildung müssen in ein Krankenhaus mit einem höheren Level wechseln.
     
  • Eine kinder- und jugendmedizinische Klinik oder Abteilung ist im Level In gleich gar nicht mehr vorhanden. Das vorgesehene Gleichgewicht von ambulanter und stationärer Weiterbildung in der Kinder- und Jugendmedizin wird unerreichbar.

In Level II-Krankenhäusern setzt sich die Malaise für die Weiterbildung fort.

  • HNO, Augenheilkunde und Haut- und Geschlechtskrankheiten sollen in diesen Krankenhäusern nur noch eine „Basisbehandlung“ übernehmen. Es fehlt die Definition der Basisbehandlung und es fehlen die speziell zu erwerbenden Kompetenzen. Eine Gebietsbezeichnung kann auf diesem Weg nicht erworben werden.
     
  • Auch für die Kinder- und Jugendmedizin sind Einschränkungen zu erwarten, da die Hämatologie und Onkologie für Kinder und Jugendliche in den Krankenhäusern dieser Versorgungsstufe nicht vorgesehen ist und nur im Level III angeboten wird.
     
  • Stammzelltransplantationen sind für Hämatologen und Onkologen Teil der Weiterbildung und werden ebenfalls nicht in Level II-Krankenhäusern vorgehalten. Das Nadelöhr für die onkologische Weiterbildung ist programmiert.

Kliniken der Level Ii und In werden faktisch von der Weiterbildung ausgeschlossen, Kliniken des Level II werden in der Weiterbildung behindert. Die vorgesehene Konzentration der medizinischen Versorgung und der ärztlichen Weiterbildung auf wenige universitäre Einrichtungen und Kliniken des Level III schafft Nadelöhre. Notwendige Verbundweiterbildungen sind bislang wenig erprobt und die ambulante Weiterbildung wird die angesprochenen Defizite nicht ausgleichen können. Eine Weiterbildung „aus einem Guss“ wird es nicht mehr geben, für die Patientenversorgung ist das nicht gut.

Dr. Andreas Fach, Vorsitzender des Berufsverbandes und Internisten e. V. (BDI) – Landesverband Hessen

Dieser Meinungsbeitrag ist ebenfalls erschienen im Hessischen Ärzteblatt 9/2023