Der Bundesgerichtshof hat am 13.03.2025 (Az. III ZR 40/24) entschieden, dass eine Wahlleistungsvereinbarung zur „Chefarztbehandlung“ nur dann ein gesondertes Honorar rechtfertigt, wenn die Kernleistung wirklich vom benannten Wahlarzt oder – im Ausnahmefall – von dessen Vertreter bei tatsächlicher Verhinderung erbracht wird. Ausgangspunkt war ein Fall, in dem der Leitende Oberarzt Dr. S. eine elektive Operation durchführte, obwohl mit der Patientin formal eine Chefarztbehandlung vereinbart war. Beide Seiten hatten zwar eine Individualvereinbarung geschlossen, in der Dr. S. als „Vertreter“ des Chefarztes genannt wurde, jedoch ohne jede Bedingung einer tatsächlichen Verhinderung.
Das Landgericht Münster hatte zunächst zugunsten des Krankenhauses entschieden. Aus seiner Sicht konnte Dr. S. nach Wahlarztgrundsätzen abrechnen, weil die betroffene „Patientenerklärung zur Vertretung des Wahlarztes“ als Individualabrede gelte und der Patientin mehrere Wahloptionen offenstanden. Dass Dr. S. nicht nur im Ausfall des Chefarztes einspringen durfte, sondern auch „gewünscht“ operieren konnte, sah das LG Münster nicht als Verstoß an.
Normierte Wahlarztkette ist entscheidend
Der Bundesgerichtshof hingegen hat deutlich gemacht, dass § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG (Krankenhausentgeltgesetz) eine „zwingende preisrechtliche Schutzvorschrift zugunsten des Patienten“ ist. Diese Vorschrift „bestimmt, welche Ärzte als Wahlarzt benannt werden können und auf welchen Personenkreis sich die Vereinbarung wahlärztlicher Leistungen erstreckt“. Hintergrund ist die sogenannte interne Wahlarzt- oder Liquidationskette, bei der ein Patient gegen Aufpreis auf bestimmte leitende Ärzte Anspruch hat. „Ist ein Arzt weder in der Wahlleistungsvereinbarung als Wahlarzt benannt noch von der in § 17 Abs. 3 Abs. 1 KHEntgG normierten Wahlarztkette erfasst, können seine Leistungen nicht als eigene Wahlleistungen liquidiert werden.“
Die Karlsruher Richter stellten klar, dass der Oberarzt im konkreten Fall „weder als Wahlarzt noch in zulässiger Weise als Vertreter“ aufgeführt gewesen sei. Deshalb reiche das Formular, das eine „gewünschte Stellvertretung“ ohne Vorliegen einer echten Verhinderung zuließ, nicht aus, um ein gesondertes Honorar zu beanspruchen. Maßgeblich ist, „ob eine Vertreterregelung in einer Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen wirksam ist, welche die Ausführung der Wahlleistung ohne besondere Bedingungen dem ständigen ärztlichen Vertreter des Wahlarztes überträgt“. Laut Bundesgerichtshof ist dies jedenfalls dann nicht der Fall, „wenn – wie hier – die ‘gewünschte Stellvertretung’ auf Initiative des Krankenhausträgers beziehungsweise des Wahlarztes vereinbart wird.“
Rechtssichere Grundlage schaffen
In der Praxis bedeutet das: Eine Klinik kann zwar individuell mit dem Patienten festlegen, dass statt des Chefarztes auch der Oberarzt operiert. Solche Absprachen laufen jedoch leer, wenn sie die wahlärztliche Kernleistung ohne sachliche Gründe und Vorab-Aufklärung beliebig auf andere Personen übertragen. Denn nur für den im KHEntgG definierten „Wahlarzt“ (oder seinen ständigen Vertreter in begründeten Ausnahmesituationen) darf nach Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ein zusätzlicher Betrag berechnet werden.
Ärztinnen und Ärzte müssen daher sorgfältig prüfen, ob sie – gerade bei elektiven Operationen – eine rechtssichere Grundlage schaffen. Eine offene Vertretungsklausel, die unabhängig von tatsächlichen Verhinderungen greift, verstößt laut höchstrichterlicher Sicht gegen den Schutzgedanken des Gesetzes. Für Kliniken und Chefärzte bedeutet dies, dass Patienten, die ein Chefarzthonorar zahlen, auch wirklich den Chefarzt oder einen klar benannten, nur bei echter Abwesenheit eintretenden Vertreter erhalten müssen. Andernfalls droht ihnen der Verlust des wahlärztlichen Honoraranspruchs, selbst wenn eine Wahlleistungsvereinbarung formal unterzeichnet wurde.
Zum Hintergrund
Im Verfahren verwendete Wahlleistungsvereinbarung, die beanstandet wurde:
Von mir wird die stationäre Behandlung in der St. F. GmbH unter Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen gewünscht.
Ich bin in diesem Zusammenhang durch den Krankenhausmitarbeiter Frau/Herrn [es folgt ein handschriftlich eingetragener Name] darüber informiert worden, dass mir in der Orthopädischen Klinik II Wirbelsäulenchirurgie hinsichtlich der Erbringung dieser wahlärztlichen Leistungen folgende Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen:
- zunächst kann ich die vorgesehene stationäre ärztliche Behandlung unter Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen in der Weise vor-nehmen lassen, dass Herr Prof. Dr. med. L. als Wahlarzt den bei mir vorgesehenen operativen Eingriff persönlich durchführt (Variante Nr. 1),
- die vorgesehene stationäre ärztliche Behandlung kann ich unter Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen auch dergestalt durchführen lassen, dass in Vertretung von Herrn Prof. Dr. med. L. Frau/Herr [handschriftlich eingetragen: 'Dr. S.] tätig wird. Entscheide ich mich für diese Möglichkeit, ist von mir an die St. F. GmbH ein wahlärztliches Honorar in gleicher Weise wie im Falle der persönlichen Leistungserbringung durch diesen selbst zu entrichten (Variante Nr. 2),
- die vorgesehene stationäre ärztliche Behandlung kann ich ferner unter Verzicht auf die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen als allgemeine Krankenhausleistung, d.h. durch die allgemein für meine Be-handlung zur Gewährleistung einer medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Versorgung vorgesehenen diensthabenden Ärzte der Orthopädischen Klinik II Wirbelsäulenchirurgie durchführen lassen. Entscheide ich mich für diese Möglichkeit, sind wahlärztliche Honorare von mir nicht zu entrichten. Mein Recht zur Inanspruchnahme nicht-ärztlicher Wahlleistungen (z.B. Unterbringung im Ein- oder Zweibett-zimmer) bleibt hiervon unberührt (Variante Nr. 3).
In Kenntnis dieser Möglichkeiten habe ich mich dazu entschlossen, von der nachstehend angekreuzten Variante Gebrauch zu machen:
- Nr. 1
- Nr. 2
- Nr. 3
Nummer 2 wurde handschriftlich angekreuzt.