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Versorgungsengpässe Endokrinologie/Diabetologie - was plant die Politik?

© Privat

Entsprechend des aktuellen deutschen Gesundheitsberichtes 2025 leben in Deutschland mehr als 9 Millionen Menschen mit Diabetes. Dazu kommt eine geschätzte Dunkelziffer von circa 2 Millionen Menschen. Daten der gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland zeigen, dass jedes Jahr circa 500.000 Menschen neu an Typ 2 Diabetes mellitus erkranken. Nicht mitgezählt sind dabei Menschen mit einer gestörten Glukosetoleranz, also mit einem erst beginnenden Typ 2 Diabetes. Auch die Inzidenz und Prävalenz anderer endokrinologischer Erkrankungen nehmen seit vielen Jahren zu. Über 7 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Osteoporose, 15 % aller Frauen im fertilen Alter haben ein polyzystisches Ovarsyndrom mit den bekannten metabolischen Begleiterkrankungen. Dazu kommen Erkrankungen der Schilddrüse, die nahezu jeden dritten Erwachsenen in Deutschland betreffen. Darüber hinaus sind Endokrinologen und Diabetologen Experten für zahlreiche seltenere Hormon- und Stoffwechselerkrankungen, die durch kein anderes Fachgebiet der inneren Medizin abgedeckt werden.

Laut Statistik der Bundesärztekammer, Stand 31.12.2023, gibt es in Deutschland 285 Ärzt:innen mit dem Schwerpunkt “Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie“ , etwa die Hälfte davon ist im ambulanten Bereich tätig , die andere Hälfte im stationären Bereich. Kolleg:innen mit der Zusatzbezeichnung Diabetologie/Diabetologe DDG sind dabei nicht erfasst.

Dagegen sind 2087 Ärzt:innen „Innere Medizin und Gastroenterologie“ aufgeführt und 5187 Ärzt:innen „Innere Medizin und Kardiologie“.

Angesichts der geringen Anzahl an Fachärzt:innen im Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie ist es nicht verwunderlich, dass die Wartezeit für einen ambulanten Sprechstundentermin oft mehrere Monate beträgt. In sehr vielen Kliniken ist das Spezialgebiet „Endokrinologie und Diabetologie „überhaupt nicht vertreten.

In den Wahlprogrammen der verschiedenen Parteien findet sich jetzt das Versprechen einer patientenzentrierten Gesundheitsversorgung und zeitnaher fachärztlicher Termine ungeachtet des Versichertenstatus. Zugang zu Leistungen soll einzig der individuelle medizinische Bedarf sein. Das Ziel, die Sektorengrenzen durch Verzahnung und Vernetzung aller Versorgungsgebiete weiter zu entwickeln, findet sich ebenfalls parteiübergreifend. Gefordert wird - wie schon seit Jahrzehnten - eine Neuordnung der Rollenverteilung zwischen ambulantem und stationärem Sektor.

Durch die Umsetzung des im Januar 2025 in Kraft getreten Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) soll sich die Qualität der Patientenversorgung verbessern.

Wie diese Wahlversprechen aber realistisch umgesetzt werden können, angesichts der für den Schwerpunkt Endokrinologie/Diabetologie fehlenden Ärzte/Ärztinnen, ist in keinem Wahlprogramm konkretisiert.

Pläne, den Personalmangel nicht nur im medizinischen Bereich, sondern auch im Pflegebereich anzugehen, sind unzureichend beziehungsweise existieren nicht. Der Vorschlag von Klaus Reinhard, seit 2019 Präsident der Bundesärztekammer, Ärzt:innen im Ruhestand Anreize durch Teilanstellung oder steuerrechtliche Sonderregelungen zu schaffen, damit sie wieder aus dem Ruhestand zurückkehren oder länger arbeiten, mag kurzfristig einen Unterschied machen, löst aber nicht das strukturelle Problem der unzureichenden Weiterbildungsmöglichkeiten im Schwerpunkt Endokrinologie/Diabetologie und vor allen Dingen der fehlenden adäquaten Honorierung ärztlicher und nichtärztlicher Leistungen bei der Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen. Die gesundheitspolitischen Wahlversprechungen sind dringend umzusetzen, ansonsten wird sich die Versorgung von Menschen mit diabetologisch-/endokrinologischen Erkrankungen nicht verbessern.

Ihre

Dr. med. Cornelia Jaursch-Hancke
Vorsitzende der Sektion Endokrinologie/Diabetologie

Erschienen in "Die Diabetologie" 2/2025