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Strukturwandel als ärztliche Aufgabe

Die Innere Medizin 9/2022

Unsere Gesundheit ist unser höchstes Gut. Unschätzbar wertvoll, weil grundlegend für all das, was sonst noch unser Leben ausmacht. Dennoch sind die Mittel, die uns Ärztinnen und Ärzten im Einzelfall zur Erhaltung dieses Gutes zur Verfügung gestellt werden, begrenzt. Begrenzt auf das, was die Solidargemeinschaft für jede Bürgerin bzw. jeden Bürger zur Verfügung stellen kann und will.

Es ist die alltägliche und anstrengende Aufgabe jeder Ärztin und jedes Arztes, dieses Spannungsfeld so gut es eben geht im Sinne unserer Patientinnen und Patienten aufzulösen. Je knapper die Mittel werden bzw. je ineffizienter sie genutzt werden, desto schwieriger wird dieser alltägliche Spagat. Und er ist für viele Kolleginnen und Kollegen – das ist kein Geheimnis – immer schmerzhafter. Schmerzhaft, weil viele versuchen, systemische Defizite mit eigenem Engagement auszugleichen; schmerzhaft, da das Ergebnis hinter dem zurückfällt, was wir für angemessen erachten.

Mit unserem Beruf müssen wir diese Herausforderung annehmen. Denn eine optimale Therapie für die Gesamtbevölkerung kann sich schlichtweg keine Gesellschaft leisten. Wir sind deswegen unseren Patienten, aber auch uns selbst verpflichtet, uns für effiziente Strukturen und eine wirksame Nutzung der vorhandenen Mittel einzusetzen. Denn das mildert den Schmerz des Spagats.

Der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) e. V. wurde gegründet, um diese Aufgabe professionell für alle Internistinnen und Internisten in Deutschland abzubilden. Die vorliegende Ausgabe von Die Innere Medizin erscheint begleitend zum 15. Deutschen Internistentag des BDI und fokussiert auf zwei wesentliche Problembereiche des deutschen Gesundheitswesens, für die eine politische Neuordnung ansteht.

In den ersten beiden Beiträgen von von Stillfried u. Mangiapane sowie Schultze u. Mayer-Runge steht das Thema „Neuordnung der Notfallversorgung“ im Fokus. Über das veränderte Inanspruchnahmeverhalten der Bürgerinnen und Bürger sowie gefährliches Patienten-Crowding von Notfallpatientinnen und -patienten wurde in den vergangenen Jahren viel diskutiert. Der mittlerweile ausgeschiedene Bundesminister Jens Spahn hatte bereits einen ersten Gesetzesentwurf vorgelegt, der in den Turbulenzen der Coronapandemie bis dato nicht weiterverfolgt wurde. Die beiden Beiträge beschreiben die Problembereiche und den Reformbedarf aus ambulanter bzw. stationärer Sicht. Sie zeigen, dass eine erneute und gründliche Analyse der im Raum stehenden Vorschläge mehr als sinnvoll ist, um schlussendlich wirksame Verbesserungen zu erreichen.

Nicht nur für die Versorgung von Akut- und Notfällen müssen die ambulante haus- und fachärztliche sowie die stationäre Versorgung reibungslos ineinandergreifen. Auch in der Regelversorgung sind grenzüberschreitende Patientenpfade notwendig. Hier gibt es jedoch lang bekannte Schnittstellenprobleme, deren Ursachen vielgestaltig sind, aber maßgeblich auf die bestehenden Finanzierungsstrukturen zurückzuführen sind. Der Beitrag von Köhler stellt eine neue Konzeptidee vor, um – wie im aktuellen Koalitionsvertrag der Regierungskoalition geplant – über die Einführung von Hybrid-DRG die Sektorengrenze aufzulösen. Abschließend beschäftigen sich Smetak sowie Grebe u. Hector mit der Frage, inwiefern Selektivverträge dazu geeignet sind, durch neue Vertragskonstruktionen neue Versorgungspfade in unserem historisch gewachsenen Gesundheitswesen einzuschlagen.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und hoffe, dass die Beiträge Ihnen dabei helfen, die anstehenden Umwälzungen kritisch begleiten zu können.

PD Dr. med. Kevin Schulte

Erschienen in: Die Innere Medizin, 9/2022