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| Interview

"Politik denkt immer beide Fachrichtungen mit - Allgemeinmedizin und Innere"

Die Sicherstellung der ambulanten hausärztlichen Versorgung? Das geht nur gemeinsam mit allen hausärztlichen Fachrichtungen, sagt Dr. Edgar Franke, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit.

© BMG/Thomas Köhler (photothek)

BDI: Herr Dr. Franke, die Hessische Landesregierung hat Anfang Februar – wie mittlerweile fast alle Bundesländer – eine Landarztquote verabschiedet, um dem Hausärztemangel im ländlichen Raum zu begegnen. Sie selbst sind Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Schwalm-Eder in Nordhessen, der von Unterversorgung bedroht ist. Wie bewerten Sie die Quote?

Dr. Edgar Franke: Die Landarztquote ist 2017 im Rahmen des „Masterplans Medizinstudium 2020“ mit den Ländern vereinbart worden. Sie stellt eine wichtige Maßnahme dar, um mehr Nachwuchs für eine hausärztliche Tätigkeit auf dem Land zu gewinnen. Gerade in ländlichen Regionen sind Hausärztinnen und Hausärzte wichtige Ansprechpartner, die die Familien nicht selten über Generationen hinweg kennen und begleiten. Ich freue mich daher, dass inzwischen die meisten Länder – jetzt auch Hessen – die Landarztquote eingeführt haben. Übrigens haben viele Länder die Landarztquote auch für Bewerberinnen und Bewerber mit einer späteren Weiterbildung in der Inneren Medizin geöffnet. Meines Erachtens ist das ein richtiger Schritt, welcher der Bedeutung der Inneren Medizin in der hausärztlichen Versorgung gerecht wird.

Auf dem Land fehlen nicht nur Hausärzte, sondern auch Fachärztinnen und Fachärzte. Wie kann die ambulante Versorgung in unterversorgten Regionen für Ärztinnen und Ärzte insgesamt attraktiver werden? Welche politischen Weichen müssen auf Länder- bzw. Bundesebene gestellt werden?

Ärztemangel, besonders auf dem Land, und die damit verbundene Frage der flächendeckenden Sicherstellung der ambulanten Versorgung sind zentrale Themen. Hier stehen wir – die Politik ebenso wie die Selbstverwaltung – trotz unzähliger Maßnahmen noch immer vor großen Herausforderungen. Der Bundesgesetzgeber hat den KVen, den Zulassungsgremien und auch den Ländern in der Vergangenheit bereits eine Vielzahl von Instrumenten an die Hand gegeben, um möglichen Versorgungsdefiziten begegnen zu können: etwa vielfältige Möglichkeiten in der Bedarfsplanung, Vergütungsanreize, die Weiterbildungsförderung ... Diese Instrumente könnten sicherlich teilweise noch konsequenter genutzt werden. Daneben bedarf es aber weiterer Anstrengungen.

Aber: Dieses sich perspektivisch verstärkende Problem kann die Gesundheitspolitik nicht alleine lösen. Für junge Ärztinnen und Ärzte sind auch die Lebensbedingungen insgesamt, also die Infrastruktur, die Beschäftigungsmöglichkeiten für Ehepartner, Bildungs-, Betreuungs- und sonstige Angebote für Kinder etc. von entscheidender Bedeutung. Die einzelnen Kommunen können oft noch mehr tun, um attraktiver für Ärztinnen und Ärzte zu werden. Hier ist auch die Bundesregierung insgesamt gefragt. In ihrem Koalitionsvertrag hat sie wichtige Weichen gestellt. Im Bereich der Gesundheitspolitik setzen wir insbesondere auf neue, integrierte Versorgungskonzepte, den Ausbau multiprofessioneller regionaler Gesundheitszentren, mehr sektorenübergreifende Ansätze sowie den Ausbau der Digitalisierung und Delegationsmöglichkeiten, um Ärztinnen und Ärzte zu entlasten. Auf Landesebene sind die erwähnte Landarztquote und die Zahl der Studienplätze wichtige Stellschrauben.

Die Politik will die Rolle der Hausärzte seit Jahren stärken – nun auch die Ampel. Laut Koalitionsvertrag soll die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich aufgehoben werden. Wann können wir mit der Umsetzung rechnen und welche Maßnahmen halten Sie darüber hinaus für sinnvoll?

Hausärztinnen und Hausärzte spielen eine zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung der Menschen, gerade auch auf dem Land. Eine angemessene Vergütung hausärztlicher Leistungen ist daher wichtig und richtig. Hier hat sich einiges getan: Nach Angaben der KBV ist von 2010 bis 2020 im allgemeinmedizinischen sowie im hausärztlich-internistischen Bereich der Fallwert mit rund 34 Prozent überproportional gestiegen. Nach Kennzahlen der KBV sind zudem in den letzten Jahren im Bundesdurchschnitt die erbrachten allgemeinmedizinischen bzw. hausärztlich-internistischen Leistungen zu nahezu 100% vergütet worden, d.h. dass de facto schon jetzt fast keine Budgetierung stattfindet.

In unterversorgten Gebieten gilt darüber hinaus: Bei Vertragsärztinnen und -ärzten, die in diesen Gebieten Patientinnen und Patienten behandeln, dürfen im Honorarverteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Fallzahlbegrenzung oder Fallzahlminderung angewandt werden. Zudem hat die Selbstverwaltung in diesen Gebieten Sicherstellungszuschläge an Vertragsärztinnen und -ärzte zu zahlen. Ein endgültiger Zeitplan zur Umsetzung einer darüber hinaus gehenden generellen Aufhebung der Budgetierung besteht noch nicht.

In der politischen Diskussion werden hausärztliche Versorgung und Allgemeinmedizin häufig gleichgesetzt. Dabei sind mehr als ein Viertel der Hausärztinnen und -ärzte Fachärzte für Innere Medizin. Was kann die Politik tun, um dieses Potenzial besser zu heben?

Hausärztinnen und Hausärzte leisten, unabhängig davon, ob sie Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeinmedizin oder für Innere Medizin sind, mit großem Engagement einen unverzichtbaren Beitrag für die gesundheitliche Versorgung der Patienten. Dafür möchte ich ihnen gerade jetzt in der Corona-Pandemie noch einmal meinen besonderen Dank aussprechen.

Wenn die Politik über neue Regelungen im hausärztlichen Bereich nachdenkt, denkt sie immer auch beide Facharztgruppen mit. Wie dem SGB V zu entnehmen ist, wird dort überwiegend nicht danach differenziert, welche Facharztausbildung diejenigen abgeschlossen haben, die hausärztliche Aufgaben übernehmen. Fördermaßnahmen aus dem Strukturfond, Vergütungsregelungen, vertragsärztliche Rechte und Pflichten adressieren in der Regel alle Hausärztinnen und Hausärzte.

Ein wichtiges Werkzeug ist in diesem Zusammenhang die Förderung der ambulanten Weiterbildung. Aktuell profitieren davon nur angehende Fachärzte für Allgemeinmedizin. Halten Sie diese Regelung weiterhin für sinnvoll?

Das Instrument der Weiterbildungsförderung dient dazu, Ärztinnen und Ärzte derjenigen Fachrichtungen zu gewinnen, bei denen der größte Nachwuchsmangel besteht oder sich abzeichnet, und in denen auch ambulant weitergebildet wird.

Hier die Vergütung auf das Niveau anzuheben, das üblicherweise im Krankenhaus gezahlt wird, ist eine wichtige Maßnahme der Nachwuchsförderung, die sich an der Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer orientiert.

Dr. Edgar Franke (SPD) ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages für den hessischen Wahlkreis Schwalm-Eder/Frankenberg

Das Interview führte Bastian Schroeder
Erschienen in BDIaktuell 04/2022