Von Doris Wettmann (Syndikusrechtsanwältin, Justiziarin, BDI)
Sachverhalt: Die Klägerin war als Musikerin an der Bayerischen Staatsoper beschäftigt. Zu Beginn der Spielzeit 2020/21 hatte die Oper im Rahmen ihres betrieblichen Hygienekonzepts eine Teststrategie entwickelt. Die Teststrategie sah u.a. vor, die Beschäftigten in Gruppen zur Durchführung von PCR-Tests in unterschiedlichen Zeitabständen zu verpflichten. Danach mussten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Beginn der Spielzeit einen negativen PCR-Test vorlegen und im Abstand von 1 bis 3 Wochen weitere PCR-Tests, die der Arbeitgeber kostenlos anbot. Nachdem die Klägerin die Durchführung der Tests mit der Begründung ablehnte, diese seien zu ungenau und griffen unverhältnismäßig in ihre körperliche Unversehrheit ein, stellte der Arbeitgber sie unbezahlt frei. Hiergegen richtete sich ihre Klage.
Entscheidung: Letzinstanzlich wies das BAG die Klage ab. Der Arbeitgeber ist nach § 618 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch verpflichtet, die Arbeitsleistungen, die unter seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, als die Natur der Arbeitsleistung es gestattet. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) konkretisieren den Inhalt der Fürsorgepflichten, die dem Arbeitgeber hiernach im Hinblick auf die Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer obliegen. Zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen kann der Arbeitgeber hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb Weisungen nach § 106 Satz 2 Gewerbeordnung (GewO) erteilen. Das hierbei zu beachtende billige Ermessen, also die Beurteilung nach einem natürlichen Gerechtigkeitsempfinden, wird im Wesentlichen durch die Vorgaben des ArbSchG konkretisiert. Die Anweisung des Arbeitgebers zur Durchführung von PCR-Tests bewertet das Bundesarbeitsgericht nach diesen Vorgaben als rechtmäßig. Nachdem bauliche und organisatorische Maßnahmen arbeitgeberseits nicht für ausreichend erachtet wurden, traf dieser die o.g. Testanweisung. Die auf diesem Konzept beruhenden Anweisungen an die Klägerin entsprachen billigem Ermessen i. S. v. § 106 GewO. Der mit der Durchführung der Tests verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist nach Auffassung des BAG verhältnismäßig.
Fazit und Ausblick: Das Urteil ist aus Arbeitgebersicht beachtlich: Die zwischenzeitlich geltenden öffentlich-rechtlichen Testpflichten und Vorgaben für Testanordnungen sind mit dem Ende der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung am 25. Mai 2022 ausgelaufen. Die Entscheidung des BAG stellt klar, dass Arbeitgeber auch ohne konkret gesetzlich geregelte Testpflichten befugt sein können, als Maßnahme des Arbeitsschutzes zur Pandemiebekämpfung einseitig eine Testpflicht für ihre Mitarbeiter anzuordnen.
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