Die Eigeninitiative kann ich in Ansätzen sogar verstehen. Denn diese Menschen sind in einer Ausnahmesituation: Entweder haben sie Schmerzen oder unklare Symptome – fest steht, sie suchen medizinischen Rat. Objektiv betrachtet brauchen viele von ihnen jedoch keine Gerätemedizin im Krankenhaus. Sie sind also im System an der verkehrten Stelle angekommen. Das bindet unnötig Ressourcen und verzögert im schlimmsten Fall die Versorgung echter Notfälle. Um dem entgegenzuwirken, hat der G-BA im Auftrag des Gesetzgebers ein neues Verfahren zur Ersteinschätzung vorgelegt.
Unser Auftrag war es, den Ablauf für Hilfesuchende in der Notaufnahme bestmöglich zu gestalten und damit Betroffene zu lenken. Dafür haben wir die Voraussetzungen geschaffen: Die Patientinnen und Patienten, die sofort Hilfe brauchen, werden künftig ambulant im Krankenhaus versorgt oder stationär aufgenommen. Alle anderen werden an niedergelassene Ärztinnen und Ärzte verwiesen und von ihnen behandelt.
Zugleich definieren wir Mindestanforderungen, die etwa das Verfahren selbst betreffen, wie den Einsatz eines digitalen Assistenzsystems. Oder stellen auch Vorgaben zur nötigen Qualifikation des Personals auf. Mit Übergangslösungen tragen wir den Bedenken der Krankenhäuser Rechnung, die diese personellen und administrativen Vorgaben erfüllen müssen. Mit den Personalvorgaben setzen wir Qualitätsstandards bei der Patientenversorgung – hier darf es keine faulen Kompromisse geben.
Was wir gerne geregelt hätten: Eine konkrete Terminvermittlung für Patientinnen und Patienten im ambulanten Bereich – aber das war nicht mehr Teil des Gesetzesauftrags.
Natürlich sehen auch wir, dass dieses Puzzleteil fehlt. Daraus aber abzuleiten, die Ersteinschätzung bringe keinen Mehrwert, ist falsch. Denn mit dem neuen Verfahren ermöglicht der G-BA eine fachlich fundierte, qualitativ gute und zugleich ressourcenschonende Patientenversorgung. Und das zeitnah! Das ist deshalb wichtig, weil zwar wortreich über eine Krankenhausreform diskutiert wird, auf der Habenseite bisher aber nur Eckpunkte stehen.
Außerdem: Das Konzept für eine Terminvermittlung ist bereits ausgearbeitet, weil es ursprünglich Teil des Gesetzesauftrags an den G-BA war. Eine Terminvermittlung könnte daher schnell ergänzt werden, wenn der Gesetzgeber es will.
Ein Gastbeitrag von Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), erschienen in der BDI aktuell 09/2023