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Neue Balance herstellen

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach MdB / © BMG / Thomas Ecke

Die Beschäftigten in den Gesundheitsberufen haben in der Pandemie eine außergewöhnliche Last getragen – besonders dort, wo viele COVID-19-Patientinnen und -Patienten zu betreuen waren: auf den Stationen in den Krankenhäusern. Als eine Geste des Dankes haben wir für die Pflegekräfte in den besonders belasteten Bereichen Bonuszahlungen beschlossen. Aber es geht darüber hinaus um bleibende gesellschaftliche Anerkennung: Arbeitsumfeld und Vergütung müssen sich so verbessern, dass niemand mehr mit der Begründung aussteigt, die Bedingungen seien zu schlecht.

Attraktive Arbeitsbedingungen und hinreichend Fachkräfte – beides steht in Wechselwirkung zueinander. Wie sich beides in Zukunft einpegelt, davon hängt nicht weniger als die Qualität der pflegerischen Versorgung im Krankenhaus ab. Um schnell zu handeln, haben wir in der Ampel-Koalition ein kurzfristig einsetzbares Personalbemessungsverfahren verabredet, das im Wesentlichen an die Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0) angelehnt ist und das Anfang kommenden Jahres in die Erprobungsphase starten wird. Das Personalbemessungsverfahren wird helfen, den Abstand zwischen Soll- und Ist-Personalbesetzung stufenweise zu überwinden.

Bereits jetzt gelten für die Mehrzahl der Stationen Pflegepersonaluntergrenzen. Sie werden so lange bestehen bleiben, bis ein anderes Verfahren ihre Funktion ersetzt. Alle Maßnahmen haben anständige Arbeitsbedingungen sowie Patientensicherheit zum Ziel. Zugleich setzen wir unsere Anstrengungen fort, mehr Pflegekräfte zu gewinnen: durch Ausbildung, durch Anwerbung aus dem Ausland und indem wir Teilzeitkräfte zur Rückkehr in die Vollbeschäftigung motivieren.

Sichere Versorgung bei weiter steigendem Kostendruck – das ist der Spagat, den die Beschäftigten in den Krankenhäusern täglich schaffen müssen. Das wird nur funktionieren, wenn die Kliniken strukturell anders aufgestellt werden. Ein Schwerpunkt unserer Gesundheitspolitik ist daher eine grundlegende Krankenhausreform. Dafür habe ich gleich zu Beginn meiner Amtszeit eine Expertenkommission berufen.

Sie hat den Auftrag, Leitplanken für eine geänderte Krankenhausplanung zu erarbeiten, die auf Leistungsgruppen und auf Versorgungsstufen basiert und die sich an Kriterien wie der Erreichbarkeit und der demografischen Entwicklung orientiert. Die Kommission soll auch Empfehlungen für eine Krankenhausfinanzierung vorlegen, die das bisherige System ergänzt: um ein System von Vorhaltepauschalen, das nach Versorgungsstufen (Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung, Uniklinika) differenziert ist. Denn wiewohl es in den Krankenhäusern zwingend notwendig ist, kosteneffizient zu wirtschaften, gibt es Bereiche, in denen die bestehenden Instrumente dafür nicht die Wirkung entfaltet haben, die sie haben sollten: bestmögliche Versorgung.

Aus diesem Grund sind die Pflegekosten inzwischen aus den Fallpauschalen ausgegliedert. Und deshalb soll sich auch bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen die Finanzierung ändern – das legt die erste Stellungnahme der Kommission nahe und das wird den ökonomischen Druck verringern.

Dem Ziel einer bestmöglichen Patientenversorgung dient auch der Ende September vorgestellte Vorschlag der Regierungskommission zur Einführung der Behandlungsform sogenannter Tagesbehandlungen, durch den die Zahl bisher stationär erbrachter Leistungen deutlich verringert werden soll.

Wir nehmen die Herausforderung an, eine neue Balance herzustellen – zwischen evidenzbasierter Medizin auf der einen sowie kostendeckend und arbeitsteilig funktionierenden Krankenhäusern auf der anderen Seite. Ich bin Ihnen allen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Kliniken, äußerst dankbar dafür, dass Sie sich unterdessen Tag für Tag für gute Versorgung einsetzen und uns als Gesellschaft damit die Sicherheit geben, für uns da zu sein.

Ein Gastbeitrag von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach, MdB für BDI aktuell 11/2022