Eine Krankenhausstrukturreform ist überfällig. Dies ist allseits bekannt. In Deutschland haben wir nämlich kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. In der Ampel-Koalition wollen wir jetzt endlich liefern. Dafür wurde eine Krankenhauskommission gegründet, die das Bundesgesundheitsministerium beim Erarbeiten eines Reformprogramms unterstützen wird.
Leitplanken für eine auf Leistungsgruppen und Versorgungsstufen basierende und sich an Kriterien wie der Erreichbarkeit und der demografischen Entwicklung orientierende Krankenhausplanung muss durch die Krankenhauskommission erarbeitet werden. Sie legt Empfehlungen für eine Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung vor, die das bisherige System um ein nach Versorgungsstufen (Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung, Uniklinika) differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen ergänzt. Kurzfristig soll für eine bedarfsgerechte auskömmliche Finanzierung für die Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe gesorgt werden. Die Kommission ist gut besetzt. Ärztliche Leiter, Pharmazeuten, Notfallmediziner, Gesundheitsökonomen, aus allen Fachrichtungen sind Experten vertreten. Erste Ergebnisse der Kommission liegen vor. Sie haben bereits zwei wichtige Stellungnahmen veröffentlicht. Die erste Empfehlung thematisiert die Finanzierung der Pädiatrie und Geburtshilfe. Dafür wurden vier Vorschläge unterbreitet. Die Politik befindet sich derzeit in Verhandlungen, welches der Modelle in einem Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden sollte. Die zweite Stellungnahme ist in der Ärzteschaft umstrittener. Sie behandelt eine Empfehlung zu Tagesbehandlungen im Krankenhaus nach dem DRG-System. Die Konsequenzen des Vorschlags der Kommission teile ich in dieser Form nicht, denn Fehlanreize können daraus abgeleitet werden.
Dadurch, dass die Kommission bereits weitere Stellungnahmen zu Reformen angekündigt hat, wird es ganz sicher auch in Zukunft externe und interne Debatten geben. Diese dürfen wir nicht scheuen, sondern müssen sie konsequent führen. Es ist das gemeinsame Ziel dieser Regierungskoalition, dass wir am Ende der Legislaturperiode alle Notwendigkeiten für eine Krankenhausstrukturreform beschlossen und auf den Weg gebracht haben.
Persönlich habe ich einen klaren Blick darauf, wie ich mir den stationären Sektor 2025 vorstelle. Es bedarf einer qualitativ besseren Versorgung, was durch sinnvolle Aufgabenteilung und verstärkte Spezialisierung erreicht wird. Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ muss konsequent umgesetzt werden. Dies wird dafür sorgen, dass die Krankenhäuser nicht mehr mit eigentlich ambulanten Fällen belastet werden. Verschiedene Publikation gehen davon aus, dass die Belastung der stationären Versorgung um ein Viertel gesenkt werden kann.
Die gemeinsame Struktur der stationären und ambulanten Versorgung muss mutig neu gedacht werden. Der Status-quo ist nicht haltbar. Das Geld, um ineffektive Strukturen künstlich am Leben zu erhalten, ist nicht mehr vorhanden. Man kann es auch einfacher formulieren: Die Debatte zur Streichung der Neupatientenregelung war eine Folge der Reformverschleppung im stationären Sektor.
Die Zahl der stationären Patiententage muss dringend im Sinne der bedarfsgerechten Versorgung reduziert werden. Drei Sektoren müssen zusammengedacht werden: Notfallversorgung, ambulante und stationäre Versorgung. Die medizinische Versorgung kann nur so verbessert werden. Ängste und Sorgen der Bevölkerung müssen früher adressiert werden. Gute flächendeckende Strukturen in der Notfallversorgung sind die Basis. Die niedergelassenen Ärzte und neuen Versorgungsformen, wie integrierte Gesundheitszentren oder MVZ, bilden gemeinsam die zweite Ebene. Zusammen wird so die Qualität der Versorgung verbessert und die Patienten werden auf diesem Weg mitgenommen.
Für die Neugestaltung der Krankenhauslandschaft gibt es viele Argumente. Zum einen muss der Fokus auf der Spezialisierung liegen. Behandlungsergebnisse werden besser, wenn die Behandlungen regelmäßig durchgeführt werden. Ein weiterer Grund ist der Fachkräftemangel, der vor allem in der Pflege schon heute erkennbar ist.
Die Regierungskoalition weiß um ihre Verantwortung, dass eine Krankenhausstrukturreform dringend umgesetzt werden muss. Möglicherweise werden die Früchte unserer Arbeit nicht in dieser Legislaturperiode geerntet werden. Es liegt aber in unserer staatspolitischen Verantwortung, endlich zu handeln. Die Zeit drängt. Die Strukturreform wird kommen.
Ein Gastbeitrag von Prof. Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, für BDI aktuell 11/2022