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Klare Sicht für Lauterbach

2023 wird ein anspruchsvolles Gesundheitsjahr. Zu lange lagen wichtige Reformbaustellen brach. Das hat offenbar auch Lauterbach erkannt. Noch zum Jahresende hat er dem Gesundheitswesen ein Omnibusgesetz verpasst. 2023 will er – glaubt man seinem Arbeitsplan – dann richtig Tempo machen.

© Phil Dera / BDI

Nach einem recht holprigen Start in sein erstes Amtsjahr, erhöht Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) nun spürbar die Schlagzahl. Stand anfangs noch die Corona-Pandemie in seinem Fokus, war er im Herbst 2022 gefordert, die Schieflage bei den Kassenfinanzen in den Griff zu bekommen. Zum Jahresendspurt entdeckte er dann auch seine Liebe zu sogenannten Omnibusgesetzen, welche insbesondere in der Ära von Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Hochkonjunktur hatten. Im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz versenkte Lauterbach mal eben schnell zwei wegweisende Konzeptideen für den stationären Versorgungsbereich und eine sektorengleiche Vergütung.

Taktung erinnert an Jens Spahn

Seit Ende November liegt nun der Arbeitsplan für 2023 vor. Der, wird er so umgesetzt, eine ähnliche Taktung von Gesetzesinitiativen erwarten lässt, wie einst unter Jens Spahn. Für das Jahr 2023 sieht der Plan insgesamt über 30 Vorhaben vor: ein bunter Strauß von der Pflege über Bürokratieentlastung, Cannabis-Abgabe, Digitalisierung, GKV-Finanzen, Krankenhaus, Öffentlicher Gesundheitsdienst bis hin zur Pflegeversicherung und der allgemeinen Krankenversorgung.

Auch wenn viele zu Legislaturbeginn Lauterbach Dilettantismus im Gesetzgebungsverfahren unterstellten, wird nun mehr und mehr eine dahinterliegende Strategie sichtbar. Diese Strategie sieht eine Primär-Versorgungsebene bei gleichzeitiger Fokussierung der stationären Versorgung vor. Ambulant tätige Fachärztinnen und Fachärzte stören dabei eher, als dass Lauterbach in ihnen einen Vorteil sieht.

Es ist zu befürchten, dass die Form der ambulanten fachärztlichen Behandlung mehr und mehr an die Krankenhäuser gedrängt wird. Ob die Ärzte dort noch wirtschaftlich selbstständig tätig sind, oder letztendlich in die Struktur der Kliniken eingebunden werden, spielt schon fast keine Rolle mehr.

Mit Blick auf die zu erwartenden Themen 2023 finden sich einige Projekte, die diesen Schluss zulassen. So wird im Frühjahr 2023 mit der Vorlage eines Referentenentwurfes zur Approbationsordnung zu rechnen sein, im Rahmen derer die Allgemeinmedizin in allen Phasen des Studiums mehr Beachtung finden soll.

Ohne die Innere geht es nicht

Ganz grundsätzlich handelt es sich bei der Allgemeinmedizin um eine wichtige Fachgruppe zur Aufrechterhaltung der hausärztlichen Versorgung. Gleichzeitig ist es völlig unverständlich, dass der Politik nach wie vor nicht klarzumachen ist, dass die Allgemeinmedizin aufgrund womöglich mangelnder Attraktivität des Faches, aber auch mit Blick auf die nüchternen Zahlen, nicht mehr in der Lage ist, die hausärztliche Versorgung alleine abzubilden. Daran ändern auch zahlreiche Förderprogramme nichts. Die hausärztliche Versorgung ist jetzt und in Zukunft nur durch die Einbeziehung der Internisten sowie Kinder- und Jugendärzte sicherzustellen, wie es bereits in Paragraf 73 Abs. 1a SGB V nominiert ist. Insofern müssen alle Anstrengungen zur Steigerung der Attraktivität in der hausärztlichen Versorgung auf diese drei Fachgruppen ausgerichtet werden und dürfen nicht zugunsten der Allgemeinmedizin und gleichzeitig zulasten der anderen Fachgruppen ausgestaltet sein. Im Hinblick auf die Approbationsordnung liegt dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) bereits ein weitgehend konzertierter Entwurf vor, in dem diesem Grundprinzip Rechnung getragen wird.

Heilkundeübertragung per Gesetz

Im Rahmen eines Gesetzes zur Pflegeausbildung soll die Heilkundeübertragung an Pflegekräfte etabliert werden. Auch hier ist der Referentenentwurf im ersten Halbjahr 2023 zu erwarten, wobei das BMG das komplette Gesetzesverfahren vor der Sommerpause abgeschlossen haben will. An dieser Stelle bitte nicht falsch verstehen. Es geht nicht darum, tradierte Sichtweisen im Hinblick auf die Ausübung der ärztlichen Heilkunde zu stützen. Es gibt mit Sicherheit Leistungen und Prozeduren, die nicht zwingend von Ärztinnen und Ärzten ausgeübt und erbracht werden müssen. Insofern bleibt es spannend, abzuwarten, ob Lauterbach ärztlichen Sachverstand im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt, oder ob er von sich derart überzeugt ist, dass er eine solche Differenzierung als Mediziner selbst trifft. Lauterbach ist Mediziner, aber kein Arzt. Insofern wäre er gut beraten auf die Kompetenz der ärztlichen Verbände zurückzugreifen.

Klinikreform in den Startlöchern

Neben den zwei skizzierten Themenkomplexen, die sicherlich medial einen nicht zu großen Raum einnehmen werden, steht eine andere Reform schon in den Startlöchern, die der Krankenhäuser. Und hier ist bereits jetzt das mediale Echo laut: Vorhaltepauschalen, Struktur- und Qualitätsvorgaben sollen das Primat der Ökonomie in den Krankenhäusern zurückdrängen, so lautet die Kernbotschaft der Empfehlungen, die die 17-köpfige Regierungskommission unter der Leitung von Professor Tom Bschor für die Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung Anfang Dezember vorgelegt hat. „Es brennt lichterloh“, ordnete Bschor, langjähriger Chefarzt einer Berliner Klinik, die Dringlichkeit der Reform ein. Bereits am 5. Januar treffen Vertreter der Länder und der Gesundheitsminister aufeinander, um das Reformkonzept zu beraten.

Aber auch für den ambulanten Bereich steht noch eine größere Reform an: Unter dem Titel Versorgungsgesetz I und II werden Regelungen zu den Gesundheitskiosken, G-BA-Reform (Beteiligung Pflege und Patienten), kommunale MVZ, Primärversorgungszentren/Regionalversorgungszentren sowie der direkte Zugang für Heilmittelerbringer erwartet.

Ebenfalls zu rechnen ist im kommenden Jahr mit einem weiteren Spargesetz unter dem Titel Finanzstrukturreform.

Ein Beitrag von Tilo Radau, Geschäftsführer des BDI, erschienen in der BDI aktuell 01/2023