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| Meinung

Entbudgetierung auf Raten

© Phil Dera / BDI

Kein Scherz. Seit dem 1. April erhalten Kinder- und Jugendärzte fast alle Untersuchungen und Behandlungen in voller Höhe vergütet. Nach zähem Ringen hat der Bundestag im März eine Art der Entbudgetierung beschlossen, mit dem der leistungsfeindliche Honorardeckel in der vertragsärztlichen Versorgung nach dreißig Jahren erstmals Löcher bekommt.

Zu einer lupenreinen Entbudgetierung konnte sich der Bundesgesundheitsminister trotz vollmundiger, öffentlicher Ankündigungen aber nicht durchringen. Die Leistungen der Pädiater sollen zwar vollständig mit den Leistungen der Euro-Gebührenordnung vergütet werden – allerdings mittels eines umständlichen, bürokratisch aufwändigen Verfahrens innerhalb der Morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (MGV). Die Vergütung erfolgt also bewusst nicht extrabudgetär. Stattdessen müssen die Krankenkassen Nachzahlungen leisten, wenn die MGV nicht ausreicht.

Das hätte man nicht nur einfacher haben können. In Anbetracht der Versorgungslage wäre eine klassische Entbudgetierung außerhalb der Morbiditätsorientierten Gesamtvergütung auch

gesundheitspolitisch angebracht gewesen. In diesen Genuss – so viel sei der Fairness halber erwähnt – kommen jetzt nur die Kinder- und Jugendpsychiater. Immerhin ein Anfang.

Insgesamt setzt die Ampel-Koalition mit dieser Regelung ihre Salamitaktik der letzten Monate weiter fort. Die Ankündigung im Koalitionsvertrag, alle Fachgruppen in der hausärztlichen Versorgung zu entbudgetieren, ist damit längst noch nicht erfüllt.

Dass die Umsetzung selbst in Zeiten akuten Versorgungsmangels weiterhin auf sich warten lässt, zeigt hingegen einmal mehr, dass hier keine Überzeugungstäter am Werk waren. Vielmehr hat der spürbare Versorgungsmangel einen so immensen politischen Druck entfaltet, dass ein Richtungswechsel unumgänglich war.

So sehr die Politik die Augen auch vor dem Zusammenhang von Budget und Leistungsmenge verschließen mag: Die Versorgungsrealität wird uns einholen. Die Arbeitszeit, die Vertragsärztinnen und -ärzte zur Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten aufbringen können, ist limitiert. Die Vorstellung der Politik, dass die Niedergelassenen immer mehr für immer weniger Geld leisten sollen, ist respektlos, unrealistisch und insbesondere auch dem ärztlichen Nachwuchs nicht mehr vermittelbar.

Dass die Geduld aller Kolleginnen und Kollegen am Ende ist, sollte niemanden überraschen. Es kommt nicht von ungefähr, dass die mittlerweile allgegenwärtigen Proteste seit Monaten andauern.

Die ambulante Versorgung darf – vor allem mit Blick auf die angestrebte Ambulantisierung im Zuge der Krankenhausreform – nicht länger kaputtgespart werden, sondern muss im Sinne einer guten Versorgung unserer Patienten vollumfänglich und angemessen finanziert werden. Wir brauchen keine billigen Ersatzstrukturen, sondern den politischen Willen, gut funktionierende, bewährte Strukturen zu stärken.

Wenn die Politik zukünftig Leistungskürzungen vermeiden möchte, führt an einer echten Entbudgetierung aller Facharztgruppen sowohl im hausärztlichen als auch im fachärztlichen

Bereich kein Weg vorbei.

Ihre 

Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin

Erschienen in BDIaktuell 05/2023