BDI aktuell: Herr Dr. Smetak, das Bundessozialgericht hat Ende Oktober ein Urteil zum Thema „Sozialversicherungspflicht im ärztlichen Notdienst“ gesprochen. Können Sie dieses Urteil für uns kurz einordnen?
Dr. Norbert Smetak: Hintergrund ist, dass von der Rentenversicherung die Tätigkeit des Vertretungsarztes im Notdienst nicht als selbstständige und damit sozialversicherungsfreie Leistung angesehen wird. Das Urteil selbst bezieht sich jetzt auf einen Zahnarzt. Dieser war in einem Dienstplan in vorgegeben Räumen tätig und über die KZV beschäftigt. Darin sah das BSG, allerdings nur für diesen Fall, die Sozialversicherungspflicht für gegeben an, da hier ein einer abhängigen Beschäftigung entsprechender Status aus Sicht des Gerichtes vorlag. Das LSG als Vorinstanz hatte noch anders entschieden. Dieses hatte die Tätigkeit selbst – als selbstständige Tätigkeit als Zahnarzt – höherwertig bewertet als die Art des organisatorischen Ablaufes.
Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg hat nun den Notdienst als Konsequenz auf das Urteil deutlich eingeschränkt. War dieser Schritt wirklich notwendig?
Smetak: Die KVBW hat sich ausführlich rechtliche Beratung von extern eingeholt. Hier wurde festgestellt, dass bei einer möglichen ähnlichen Konstellation für die Poolärzte sofort das Urteil greift und ein Beibehalten der Notdienststruktur eine Haftungsfrage beim Vorstand der KVBW ausgelöst hätte, die dieser nicht eingehen wollte. Dazuhin müsste die KVBW einen hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand in Kauf nehmen, wenn sie die Poolärzte in ein sozialversicherungspflichtiges Vertragsverhältnis übernimmt einschließlich arbeitsrechtlicher Konsequenzen.
Kann eine vernünftige Notfallversorgung nach diesem Urteil überhaupt noch aufrechterhalten werden?
Smetak: Nun, das wird sicher ohne eine Lösung für die Poolärzte nicht möglich sein. In Baden-Württemberg sprechen wir von ca. 3000 Poolärzten, die eine deutliche Entlastung sowohl für die älteren Kolleginnen und Kollegen, aber auch für die stark ausgelasteten, im Alltag schon am Limit arbeitenden Praxen darstellen. Sollten diese Poolärzte wegfallen und es müssten alle Vertragsärzte selbst diese Dienste wahrnehmen, würde dies in der Konsequenz eine Überlastung der Notfallambulanzen mit sich bringen, da ja viele Kolleginnen und Kollegen auch aus patientenfernen Gebieten wie Pathologen oder Nuklearmediziner diese Dienste ableisten müssten. Da die Krankenhäuser selbst am Limit sind, würde dies mit Sicherheit eine spürbare Verschlechterung der Notfallversorgung bedeuten.
Was muss jetzt passieren, damit die Notfallversorgung wie bisher erfolgen kann?
Smetak: Eindeutig ist jetzt der Gesetzgeber gefragt. Schon im Vorfeld waren wir, auch ich persönlich, im Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorstellig und haben auf die möglichen Konsequenzen bei negativem Urteil eindringlich aufmerksam gemacht. Wir wurden vertröstet, erst einmal das Urteil abzuwarten. Wir hatten eine Lösung ähnlich der Notärzte eingefordert, die nach Paragraf 23c SGB IV vom Gesetzgeber von der Sozialversicherungspflicht befreit sind. Hätte man dies im Vorfeld durchgeführt, hätte man das jetzt einsetzende Chaos vermeiden können. Die Politik hat es billigend in Kauf genommen und ist jetzt gefordert, rasch eine Lösung herbeizuführen. Den Konflikt auf dem Rücken der stark belastetenden Kolleginnen und Kollegen vorzunehmen, ist inakzeptabel.
Was unternimmt der BDI, um dieses Problem an die Politik zu kommunizieren?
Smetak: Positiv war die sofortige Reaktion unseres Vorstandsmitgliedes Prof. Andrew Ullman, Sprecher der FDP im Gesundheitsausschuss, der die Befreiung von der Sozialversicherungspflicht einforderte. Zusätzlich werden jetzt die Gespräche mit dem Bundesministerium wieder aufgenommen und andererseits auch unsere Landespolitiker entsprechend involviert, die Versorgung wieder in akzeptable Bahnen zu bringen. Hier hat z.B. schon der Gesundheitsminister von Baden-Württemberg entsprechend reagiert.
Dr. med. Norbert Smetak ist 1. Vizepräsident des BDI und Mitglied der Vertreterversammlung der KV Baden-Württemberg
Das Interview führte Dr. Kevin Schulte, erschienen in der BDI aktuell 12/2023/1/2024