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Das wünscht sich der Nachwuchs

Lieber in die Anstellung als die eigene Praxis, aber dennoch ambulant arbeiten: Die Medizinstudierenden haben klare Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft. Auch was Arbeitszeiten angeht.

© Phographee.eu_shutterstock.com

Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie geregelte, aber gleichzeitig flexible Arbeitszeiten, das sind auch 2022 die Haupterwartungen, die Medizinstudierende an ihre spätere ärztliche Tätigkeit stellen. 96 Prozent zeigen dabei eine klare Präferenz für die Anstellung. So das Ergebnis des Berufsmonitorings Medizinstudierende 2022.

Das Berufsmonitoring ermöglicht seit 2010 – nunmehr in der vierten Befragungswelle – eine Dauerbeobachtung der Wünsche, Bewertungen und Erwartungen des ärztlichen Nachwuchses an seine Arbeitswelt. Initiiert von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dem Medizinischen Fakultätentag, der Universität Trier und dem Bundesverband der Medizinstudierende nahmen an der Erhebung im Juni 2022 rund 8600 Studierende teil, das entspricht ca. 12 Prozent aller Medizinstudierenden in Deutschland.

Wie gesagt, die Erwartungen an eine gute „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ (92 Prozent geben aktuell an, diese sei ihnen äußerst wichtig, 2014 waren es fast 95 Prozent), die Faktoren „geregelte Arbeitszeiten“ (2022 für 83 Prozent und 2014 für 84 Prozent besonders wichtig) sowie „flexible Arbeitszeiten“ (2022 für 81 Prozent besonders wichtig, 2014 für 84 Prozent) sind im Zeitverlauf nahezu konstant geblieben.

Deutliche Unterschiede ergeben sich hingegen bei den Erwartungen an die Patientenversorgung. Ein breites Krankheitsspektrum zu behandeln, halten nur 67,5 Prozent für wichtig. Auch die Krankheitsgeschichte ist für den medizinischen Nachwuchs weniger interessant. Waren es im Jahr 2014 noch 72 Prozent, so interessieren sich im Jahr 2022 lediglich 64,4 Prozent der Studierenden für die Lebensumstände der Patientinnen und Patienten.

Der Wunsch, eine eigene Praxis zu führen, ist zwar gegenüber 2018 leicht gestiegen, im Vergleich zu 2014 jedoch um über fünf Prozentpunkte gesunken. Während die Niederlassungsbereitschaft also leicht gesunken ist, zeigt sich ein differenziertes Bild zwischen hausärztlicher und fachärztlicher Versorgung. Die hausärztliche Versorgung hat in der neuesten Umfrage durchaus an Attraktivität gewonnen, während die fachärztliche Versorgung leicht verloren hat. Wenn gleich die fachärztliche Niederlassung von über zwei Drittel der Befragten bevorzugt wird.

Spannend ist hierbei, dass zwei Drittel der Studierenden sich für eine Anstellung in einer Arztpraxis interessieren (68 Prozent). Generell ist das Interesse an einer Anstellung im ambulanten Sektor von 67,3 Prozent im Jahr 2010 auf nunmehr 77 Prozent gestiegen.

Arbeit des BDI trägt Früchte

Einen genaueren Blick lohnt zudem die Entwicklung im Fach Allgemeinmedizin. Während sich die Präferenz der Studierenden, sich später für eine Weiterbildung im Fachgebiet Allgemeinmedizin zu entscheiden, in den Jahren 2010 bis 2018 über die Vorklinik, Klinik und das PJ jeweils von 31,9 Prozent auf 39,6 Prozent erhöht hat, zeigt sich in den letzten Erhebungen von 2014 bis 2022 ebenfalls über die Vorklinik, Klinik und das PJ eine deutliche Stagnation. Die Aktivitäten des BDI, die hausärztliche Versorgung, zu deren Sicherstellung die Innere Medizin inzwischen zu rund einem Drittel beiträgt, stärker in den Fokus zu rücken, scheinen Früchte zu tragen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass die Präferenz für die Allgemeinmedizin einerseits stagniert, die Niederlassungsbereitschaft im hausärztlichen Sektor aber steigt. Und es ist eine Bestätigung dafür, Politik, ärztlicher Selbstverwaltung und Krankenkassen auch weiterhin vor Augen zu führen, dass die hausärztliche Versorgung nur gemeinschaftlich durch Allgemeinmedizin und Innere Medizin sichergestellt werden kann.

Nahezu ungebrochen ist die positive Einstellung der Studierenden zur Digitalisierung. Gleichwohl gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen der Zielsetzung der Digitalisierung und ihrer tatsächlichen Umsetzung. Die Studierenden bewerten die Zielsetzung der Digitalisierung in der ärztlichen Versorgung nach Schulnoten mit einer 2,9, also immerhin noch mit befriedigend, während die Umsetzung mit mangelhaft (4,5) bewertet wird. Eine Einschätzung, die sicherlich nahezu die gesamte Ärzteschaft teilt.

Interessant wäre, in einer Folgeumfrage die Teilnehmer über die Zielerreichung ihrer Erwartungen zu befragen. Dies gibt die Umfrage leider nicht her, insofern sind das Wünsche, die seit über zwölf Jahren an das Arbeiten im Gesundheitswesen gerichtet werden, eine wirkliche Änderung der Verhaltensmuster, um diese Erwartungen des ärztlichen Nachwuchses stärker in den Fokus zu rücken, ist bislang aber nicht erkennbar.

Ein Beitrag von Tilo Radau, erschienen in der BDI aktuell 12/2022