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Meinung des Monats: Darf‘s etwas mehr Steuerung sein?

© BDI/ Phil Dera

Das neue Jahr hat gesundheitspolitisch munter begonnen. Erst mit dem Krisengipfel zwischen den Vertragsärztinnen und -ärzten und dem Bundesgesundheitsminister kurz nach dem Jahreswechsel. Wenige Tage später hat Karl Lauterbach dann seine Eckpunkte für die Reform der Notfallversorgung vorgestellt. Zusammen mit den unvollendeten Reformprojekten aus dem letzten Jahr, insbesondere dem Opus magnum Krankenhausreform, ist die Maßnahmenplanung des Bundesministeriums damit schon wieder prall gefüllt.

Der ambitionierte Plan ist auch notwendig, wenn in dieser Legislaturperiode noch etwas Substanzielles passieren soll. Denn schließlich beginnt im Herbst schon der Vorwahlkampf für die Bundestagswahl 2025. Dann sinkt für gewöhnlich auch die Produktivität des Parlamentes.

Erschwerend kommt hinzu, dass nicht nur die Stimmungslage im Gesundheitswesen in allen Sektoren und Berufsgruppen gefühlt auf dem Tiefpunkt ist, sondern auch der finanzielle Spielraum für Reformen immer kleiner wird. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Ampel-Koalition zur Überarbeitung ihres Haushaltes gezwungen hat, stehen Kürzungen in allen Bereichen auf der Tagesordnung. Kostenneutralität war in der Gesundheitspolitik schon davor das Gebot der Stunde – jetzt ist sie es erst recht.

Das passt auf den ersten Blick weder zu dem Ruf der Krankenhäuser nach zusätzlichen Finanzhilfen, Transformationsfonds für die Strukturreform noch den berechtigten (!) Forderungen der Haus- und Fachärzte nach einer Entbudgetierung. Andererseits steht Deutschland bei den Gesundheitsausgaben jetzt schon unter den TOP 3 im OECD-Ländervergleich, sodass die grundsätzlich zur Verfügung stehenden Mittel eigentlich ausreichen müssten. Zu diesem Schluss ist ja auch die Regierungskommission gekommen.

Es handelt sich also in erster Linie um ein Verteilungsproblem. Dass wir in Deutschland zu viele Leistungen stationär erbringen, ist kein Geheimnis und mittlerweile auch Konsens. Eine konsequente Ambulantisierung hätte das Potenzial die Versorgung zu verbessern und Kosten einzusparen. Dafür müssen Maßnahmen, wie die neuen Hybrid-DRGs aber auch entsprechend ausgestaltet werden. Zudem sollte die Politik kritisch hinterfragen, ob teure Parallelstrukturen, wie zum Beispiel Gesundheitskioske, wirklich die Versorgung verbessern oder das Geld nicht besser dort aufgehoben ist, wo Patienten jetzt schon behandelt werden. Und natürlich dürfen auch die Krankenkassen gerne einmal selbstkritisch einen Blick auf ihre Verwaltungskosten werfen. An dieser Stelle ist auch einmal ein Lob für die Ankündigung des Ministers angebracht, Homöopathie als Kassenleistung zu streichen.

Gleichzeitig – und das haben nicht zuletzt die Proteste der Niedergelassenen eindrucksvoll gezeigt – funktioniert ein budgetiertes System, in dem immer mehr Leistungen nachgefragt und Kostensteigerung nicht adäquat refinanziert werden, einfach nicht mehr. Das Versorgungsniveau in Deutschland ist hoch. Aber Qualität kostet auch Geld. Wenn die Kassenbeiträge nicht ins Unermessliche steigen sollen, ist es mit Sicherheit auch an der Zeit, die Inanspruchnahme unserer Ressourcen besser zu steuern. So ehrlich müssen Politik und Krankenkassen gegenüber den Versicherten sein.

Es handelt sich also auch um ein Steuerungsproblem. Das gilt es zu bedenken, wenn jetzt wieder über die Reform der Akut- und Notfallversorgung gesprochen wird. Die Reform sollte nicht nur die vorhandenen finanziellen und personellen Ressourcen berücksichtigen, sondern insbesondere auch Prozesse etablieren, wie Patientinnen und Patienten bedarfsgerecht in die richtige Versorgungsebene geleitet werden.

Zu einer effektiven Steuerung gehören deshalb auch Maßnahmen zur besseren Gesundheitsbildung der Bevölkerung. Wir brauchen ein grundlegendes Verständnis für die Strukturen, um eine sachgerechte Inanspruchnahme zu fördern. Dafür sollte die Politik auch den Erfahrungsschatz der Ärztinnen und Ärzte einbeziehen.

Ihre 

Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin

Erschienen in BDIaktuell 2/2024