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| Meinung

Auf dem ambulanten Auge blind

Bei so vielen Briefen am Tag kann man schon einmal den Überblick verlieren. Dass ein Schreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, das heißt einer zentralen Einrichtung der ärztlichen Selbstverwaltung, es überhaupt nicht auf den Schreibtisch des zuständigen Ministers schafft, überrascht dann aber doch – oder auch nicht, wenn man um das unterkühlte Verhältnis von Karl Lauterbach zu den Vertragsärztinnen und -ärzten weiß.

Absichtliche Unkenntnis oder nicht: Der Gesundheitsminister hat auf den Forderungskatalog der niedergelassenen Ärzte- und Psychotherapeutenschaft von Mitte August jedenfalls nicht reagiert. Von den sieben Forderungen sind – einmal abgesehen von der Ankündigung, die Wirtschaftlichkeitsprüfungen für Kinderarzneimittel im Winter auszusetzen – keine erfüllt oder glaubhaft adressiert worden.

Damit bestätigt der Minister einen Trend, der sich bislang durch fast alle Reformvorhaben zieht: Karl Lauterbach hat für die Belange der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen weder ein offenes Ohr, noch scheinen die Praxen in seiner Vorstellung der ambulanten Versorgung eine Rolle zu spielen. Der Minister ist auf dem ambulanten Auge blind!

Die fehlende Wertschätzung und Aufmerksamkeit, der schwindende Gestaltungsspielraum und die Abwesenheit einer klaren, transparenten Strategie sind die Zutaten eines toxischen Führungscocktails. Damit steigert die Politik die Motivation und Leistungsbereitschaft der Niedergelassenen ganz sicher nicht.

Ganz im Gegenteil. In Kombination mit dem extrem enttäuschenden Honorarabschluss für das Jahr 2024 in Höhe von 3,85 Prozent, der vorletzte Woche im Erweiterten Bewertungsausschuss einstimmig beschlossen wurde, steigt der Frust gerade ins Unermessliche. Auch wenn nur wenige ernsthaft eine zweistellige Steigerung des Orientierungswertes erwartet haben. Ein „üppiger“ Anstieg, wie Vertreterinnen der Krankenkassen es nun verlauten lassen, sieht wahrlich anders aus! Denn das Ergebnis deckt weder die Inflation, noch den Kostendruck in den Praxen durch die seit Jahren andauernde Unterfinanzierung.

Deshalb ist es wichtig, dass unsere Proteste geschlossen weitergehen. Als BDI haben wir uns der gemeinsamen Kampagne zahlreicher Berufsverbände „Praxis in Not“ angeschlossen und dafür auch ein eigenes Protestplakat entwickelt, das den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen in dieser Ausgabe beiliegt. Mit dem Plakat können Sie in Ihren Praxen auf die schwierige Situation hinweisen und die Patientinnen und Patienten aufklären, welche Auswirkungen die aktuelle Gesundheitspolitik auf ihre Versorgung hat.

Als BDI unterstützen wir auch den bundesweiten Protest- und Praxisschließtag am 2. Oktober, zu dem in vielen Regionen bereits Aktionen geplant sind. Für einen erfolgreichen Protesttag braucht es nicht nur die enge Zusammenarbeit der Berufsverbände mit den Länder-KVen, in denen viele von Ihnen sich engagieren. Es braucht auch Ihre Bereitschaft, für bessere Rahmenbedingungen einzustehen und ein Zeichen zu setzen. Wir zählen auf Sie.

Weitere Infos unter www.PraxisinNot.de/bdi

Ihre 

Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin

Erschienen in BDIaktuell 10/2023