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BDI aktuell
Juli 2014
raditionell findet vor der Hauptversamm-
lung der Arbeitsgemeinschaft der deut-
schen Ärztekammern, dem Deutschen Ärz-
tetag, die Vertreterversammlung der Kassenärzt-
lichen Bundesvereinigung statt. So war es auch
diesmal in Düsseldorf, und doch war einiges an-
ders als in früheren Jahren.
Seit die KBV dazu übergegangen ist, brisante
Themen aus der öffentlichen Vertreterversamm-
lung auszusparen und in Sonder-Vertreterver-
sammlungen abzuhandeln, entbehrt diese mehr
und mehr der Spannung. In Düsseldorf musste
der neue KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Gassen
zur Mittagspause feststellen, dass ihm die The-
men ausgegangen waren – und er schickte die
Vertreter nach Hause. Über für Vertragsärzte so
wichtige Anliegen wie Honorarreform und EBM
wird irgendwann im Juni hinter verschlossenen
Türen verhandelt. Diese Entwicklung ist bedau-
erlich und degradiert die VV der KBV zu einer
T
Pseudo-Veranstaltung. Über Mangel an Gehalt
konnten sich dagegen die Besucher des 117.
Deutschen Ärztetags im Düsseldorfer Congress-
Centrum nicht beklagen.
Immerhin hatten sie den ebenfalls neuen Bun-
desminister für Gesundheit und Pflege, Her-
mann Gröhe, zum ersten Mal zu Gast. Bei der
erfreulich gestrafften Eröffnung in der Tonhalle
nutzte Bundesärztekammer-Präsident Professor
Dr. Frank Ulrich Montgomery die Gelegenheit,
dem Politiker mit klaren Worten
darzustellen, wo die Ärzte mit
der offiziellen Gesundheitspolitik
einverstanden sind und wo sie
lieber andere Akzente setzen
wollen. Montgomerys Rede war
staatsmännisch klug, aber auch
in wichtigen Punkten sehr deutlich.
Die Rede Gröhes war dagegen ganz anders –
sie war glatt, sehr professionell und ließ die For-
derungen Montgomerys unbeantwortet. Auffal-
lend war indes, dass er ausdrücklich die Arbeit
der Ärzte anerkannt und gewürdigt hat. Dafür
zollte ihm der Ärztetag Respekt und Dank. Denn
von einigen seiner Amtsvorgänger waren wir Ärz-
te jahrzehntelang teils heftige Angriffe und
Schimpfkanonaden gewöhnt. Ärzte sahen sich ei-
gentlich ständigem Misstrauen ausgesetzt und
standen unter dem Generalverdacht des Betrugs.
Das hat sich zum Glück mit Gröhe geändert.
Kritisch muss man seine Aussagen zu Qualität
und zum geplanten Qualitätsinstitut bewerten.
Wir Ärzte möchten in diesem Institut wesentlich
mitbestimmen – Gröhe gestand lediglich zu, dass
die Ärzte sich in die Arbeit der staatlichen Stelle
einbringen dürfen. Das ist herzlich wenig. Eines
muss auch der Politik klar sein: Qualität gibt es
nicht zum Nulltarif. Wer mehr Qualität will,
muss dafür auch mehr bezahlen.
Wenn der Minister darauf hinweist, dass die
ärztliche Gesamtvergütung in den letzten fünf
Jahren um 20 Prozent gestiegen ist, klingt das zu-
nächst ansehnlich. Tatsächlich sind das aber nur
vier Prozent pro Jahr – und das ist keine beson-
dere Steigerung, wenn man daneben noch den
Anstieg der Lebenshaltungskosten betrachtet.
Fasst man die Zunahme ärztlichen Wissens und
Könnens sowie der ärztlichen Arbeit in diesen
fünf Jahren mit ins Auge, handelt es sich im
Grunde nur um einen ganz normalen Anstieg,
der zudem beim einzelnen Arzt häufig gar nicht
angekommen ist. Ein weiteres strittiges Thema
zwischen Politik und Ärzten ist die geplante
Vier-Wochen-Frist zur Vergabe von Facharzt-
Terminen. Der BDI hat schon zu Beginn der
KBV-Vertreterversammlung öffentlich darauf
hingewiesen, dass für ihn eine staatliche Regulie-
rung nicht infrage kommt. Die Ursache längerer
Wartezeiten in Einzelfällen hat die Politik selbst
geschaffen durch die Budgetierung. Sie könnte
sie also auch selbst wieder beseitigen.
Montgomery hat es unverblümt angespro-
chen: Staatliche Stellen zur Vergabe von Arztter-
minen braucht niemand. Die GKV bräuchte nur
genauso viel für die ärztliche Leistung zu zahlen
wie die private Krankenversicherung, dann wür-
de sich das Problem unterschiedlicher Wartezei-
ten von gesetzlich Versicherten und Privatpatien-
ten von selbst erledigen. Dass der Minister auf
diesen einfachen Vorschlag nicht näher einging,
verwundert nicht.
Insgesamt habe ich nach diesem Auftritt des
Gesundheitsministers Gröhe den Eindruck: Der
Dialog ist eröffnet. Wir werden ihn aufnehmen.
Ich hoffe, dass möglichst viel dabei heraus-
kommt.
Dr. med. Wolfgang Wesiack
Präsident BDI e.V.
EDITORIAL
Gröhe erkennt Leistung der Ärzte an
Von Dr. Wolfgang Wesiack
Präsident des BDI
Qualität gibt es nicht zum Nulltarif.
Wer mehr Qualität will, muss
dafür auch mehr bezahlen.
Geht es nach der Bundesärztekammer
(BÄK) bei der Gebührenordnung für
Ärzte (GOÄ), gibt es mehr Licht als
Schatten, wenn man die seitherigen
Verhandlungsergebnisse mit den Pri-
vatversicherungen (PKV) betrachtet.
Trifft dies wirklich zu oder ist das nur
Zweckoptimismus?
Der Ärztetag (siehe Kasten) hat bei
den ordnungspolitischen Vorgaben
deutliche Pflöcke eingeschlagen und
dennoch das Vorgehen der BÄK un-
terstützt. So sollen die bewährten Ele-
mente der zurzeit gültigen GOÄ bei-
behalten werden. Die Öffnungsklausel,
nach der Privatversicherungen direkt
mit Ärzten Verträge abschließen könn-
ten, scheint vom Tisch und wird nicht
mehr erwähnt. Über Analogziffern soll
der medizinische Fortschritt weiter fle-
xibel abgebildet werden können. Auch
die nach dem Schweregrad individuel-
le Rechnungstellung durch Steige-
rungsfaktoren soll erhalten bleiben.
Grundsätzlich lehnt man eine Anglei-
chung an die EBM-Systematik ab.
Man will das duale System lupenrein
erhalten – so scheint es.
Reichen diese Pflöcke, um die Be-
fürchtungen der Kritiker zu be-
schwichtigen? Aufschluss gibt die Rah-
menvereinbarung zwischen BÄK und
PKV. Damit haben die Ärzte ein Zu-
geständnis an die PKV gemacht, das
alles Erreichte wieder infrage stellen
kann. PKV, BÄK und Beihilfe grün-
den demnach eine „Gemeinsame
Kommission zur Weiterentwicklung
und Pflege der GOÄ“, die unter ande-
rem die Anwendung von Analogziffern
überprüft und möglichst schnell die so
abgerechnete Innovation in die GOÄ
einarbeitet. Das Gremium erinnert in
seinen Aufgaben an eine Mischung
aus Bewertungsausschuss bei Kassen
und KV sowie dem Gemeinsamen
Bundesausschuss, typische Elemente
der GKV – genau das, was man ver-
hindern wollte.
Auf dem vorgeschlagenen Weg lässt
sich klammheimlich ein verbindlicher
Leistungskatalog für Selbstzahler in
der GOÄ definieren – der Erlaubnis-
vorbehalt des EBM lässt grüßen.
Was rechnet dann ein Arzt bei einer
Leistung ab, deren Analogbewertung
nicht mehr zugelassen ist, weil das
Gremium die Einführung in die GOÄ
abgelehnt hat? Diese Frage muss von
den Akteuren im Gremium, aber auch
vom Bundesgesundheitsministerium
(BMG) beantwortet werden, das die
GOÄ als Rechtsverordnung erlassen
muss. Heute hat die PKV die Leistun-
gen entsprechend dem Versicherungs-
vertrag mit dem Patienten zu erstat-
ten, wenn diese ordnungsgemäß nach
GOÄ erstellt sind. In Zukunft wird die
PKV durch das Gremium in die GOÄ
und ihre Umsetzung eingebunden. Ein
großer Erfolg für die PKV, der vom
BMG ausgelöst wurde, indem es die
Honorarverhandlungen mit der PKV
als Voraussetzung für eine neue GOÄ
verlangt hat.
Leider tritt die Debatte auf dem
Ärztetag hinter der Diskussion ums
Honorar, das heißt um die Vergü-
tungspositionen, zurück. Dies ist Kaf-
feesatzlesen, weil der härteste Brocken
der Verhandler nicht eingebunden
worden ist. Es fehlen immer noch die
für die Beihilfe zuständigen Innenmi-
nister, die bei der Haushaltslage der
öffentlichen Hand nicht freigiebig sein
werden. Man wird abwarten, was von
den bekannt gewordenen Bewertun-
gen übrig bleibt, auch wenn die PKV
dazu Einvernehmen signalisiert hat.
Ein wichtiger Punkt wurde leider
auf dem Ärztetag deshalb nicht ange-
sprochen, weil die zugrunde liegenden
Rechtsverhältnisse
ausgesprochen
kompliziert sind. Was wird aus der
Privatabrechnung im Krankenhaus bei
einer neuen GOÄ nach der vorge-
schlagenen
Rahmenvereinbarung?
Dies betrifft Vollversicherte in der
PKV und besonders die zahlreichen
Zusatzversicherten. Die GOÄ sieht
zurzeit einen Rechnungsabschlag von
15 Prozent bei A-Krankenhäusern und
25 Prozent bei belegärztlich geführten
Kliniken vor. Diese Prozentsätze wer-
den in der Rahmenvereinbarung zur
Disposition gestellt.
Bei einer weiteren Steigerung der
Abschläge sind nicht nur Chefärzte
von einer Honorarminderung betrof-
fen, das Krankenhausentgeltgesetz re-
gelt zudem die Beteiligung der Klinik-
träger an den Privateinnahmen. Je
nach Zahl der Privat- und Zusatzversi-
cherten wird es flächendeckend zu
Einnahmeeinbußen kommen müssen
– und das bei den Schwierigkeiten in
der Klinikfinanzierung.
SCHWERPUNKT
GOÄ: Ärztetag spart zentrale Fragen aus
Die Grundzüge der GOÄ hat
die BÄK präsentiert. Doch in
der Debatte werden wichtige
Fragen nicht gestellt. Wie
steht es um die Privatabrech-
nung in Kliniken?
Von Dr. Hans-Friedrich Spies
Gebührenordnung für Ärzte – eine Reform ist dringend notwendig.
© STEPHAN THOMAIER
„Der 117. Deutsche Ärztetag 2014
fordert, den medizinischen Fort-
schritt in die Gebührenordnung für
Ärzte (GOÄ) einzuarbeiten und bei
der Bewertung den Inflationsaus-
gleich zu berücksichtigen.
Innovationen müssen durch Bei-
behaltung der Instrumente der Ana-
logberechnung auch zukünftig auf
Basis der GOÄ verzögerungsfrei er-
bracht und abgerechnet werden kön-
nen.
Der Steigerungsfaktor zur Dar-
stellung und Berechnung von beson-
deren Aufwandssteigerungen im In-
dividualfall (besondere Schwierigkei-
ten, besonderer Zeitaufwand, beson-
dere Umstände bei der Ausführung)
sind beizubehalten. In Zukunft soll
die GOÄ in ihrer Bewertung regel-
mäßig und zeitnah angepasst wer-
den. Eine Angleichung an die
EBM-Systematik ist unter allen Um-
ständen zu vermeiden.“
Entschließung des Deutschen Ärztetages zur GOÄ